Kurz&knapp: Neuerscheinungen

Bittermann, Klaus: „Sid Schlebrowskis kurzer Sommer der Anarchie und seine Suche nach dem Glück“ (2016):

Deutsche Provinz in den 1970er-Jahren: Der Zufall bringt die beiden Ausreißer Nancy von Westphalen, 16 Jahre alt, der die snobistische Adelsfamilie aufgrund ihres Hangs zum ausgiebigen Fluchen ein Tourette-Syndrom andichtet, und Sid, Sohn eines trinkenden und prügelnden Möchtegern-Boxers zusammen. Sie Armani-Mädchen, er Punk-Fan – unterschiedlicher könnten sie nicht sein. Doch ihrer Schnorrer-Tour durch Luxushotels in Italien, wo die beiden nicht nur die Zeche prellen, sondern auch begüterte Hotelgäste um dies und das (Pelze und eine Marmelade) erleichtern, schweißt die beiden zusammen. Zwar kommt das böse Ende, Sid landet in Stadelheim und verliert die renitente Adelstochter aus den Augen. Doch der junge Mann kann weder das Mädchen noch diesen Sommer des Erwachens vergessen – und begibt sich mehr als ein Jahrzehnt nochmals auf die Suche nach Nancy.
Klaus Bittermann, Verleger (edition tiamant), Schriftsteller und Autor der „Blutgrätsche“, der Bundesliga-Kolumne in der „junge Welt“, hat mit dieser charmanten Variante der Bonnie-und-Clyde-Story einen fluffigen Sommer-, Liebes-, Coming-of-age-Roman geschrieben, der einfach großes Lesevergnügen bereitet. Wunderbar für jene, die das London-Calling-Feeling kennen.
Der Autor betreibt auch einen eigenen Blog (unter diesem Link).


Lavizzari, Alexandra: „Harper Lee und Truman Capote. Eine Freundschaft“ (2016).

Warum zog sich Harper Lee nach ihrem Welterfolg „Wer die Nachtigall stört“ so konsequent aus der Öffentlichkeit zurück? Und wieviel Truman steckt in diesem Buch? Vice versa: Wie groß ist der Anteil von Harper Lee an „Kaltblütig“? Die Geheimnisse der Schriftsteller-Freundschaft dieser beiden außergewöhnlichen Persönlichkeiten, die so verschieden waren, kann auch die Autorin Alexandra Lavizzari nicht lüften. Doch sie zeichnet ein gutes, einfühlsames Portrait der beiden Autoren, die sich im Kindesalter in Monroeville, jenem kleinen Südstaaten-Städtchen, das zwei weltbekannte Schriftsteller für sich beanspruchen kann, miteinander anfreundeten. Beide waren Außenseiter – und beide verband das Schreiben. Wie gerade daran diese fragile Beziehung auch scheiterte – der exzentrische, extrovertierte Truman unterschlug den Anteil der scheuen Harper Lee an seinem Jahrhundertbuch „Kaltblütig“ – das zeichnet Lavizzari einfühlsam nach.

Das Buch, das bereits 2009 erstmals erschien, wurde nun aktualisiert – veranlasst wohl durch die Veröffentlichung von „Gehe hin, stelle einen Wächter“, das unveröffentlichte Manuskript von Harper Lee, das 2015 als Sensation auf den Markt geworfen wurde. Hier findet Lavizzari erfreulicherweise deutliche Worte: Sie zweifelt das Einverständnis der Schriftstellerin, die im Februar 2016 hochbetagt verstarbt, mit dieser Veröffentlichung an und beurteilt das Buch kritisch:
„Gehe hin, stelle einen Wächter“ ist nicht die würdige Fortsetzung einer der größten literarischen Sensationen des zwanzigsten Jahrhunderts, sondern bloß die mit viel Mühe aufpolierte Rohfassung, die, so meinen heute viele, lieber nie das Licht der Welt erblickt hätte.“

„Harper Lee und Truman Capote“ erschien im Verlag ebersbach & simon und ist ein geeigneter Einstieg für Neu-Leser der beiden Autoren, für Fans ein feines Beiwerk, auch wenn das Buch nichts eigentlich Neues für Kenner bringen kann.

Weiterer Lesetipp:
George Plimpton: „Truman Capotes turbulentes Leben“ (2014).

Verfasst von

Das Literaturblog Sätze&Schätze gibt es seit 2013. Gegründet aus dem Impuls heraus, über Literatur und Bücher zu schreiben und mit anderen zu diskutieren.

17 thoughts on “Kurz&knapp: Neuerscheinungen

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