„Warum sollte es erstaunlich sein, daß viele Schriftsteller gerne zeichnen oder bildhauern? Vielleicht versuchen sich einige hie und da auch im Komponieren. Alle Künste sind eins, und jede Kunst – auch das Ballett – ist ein Mittel, Geschichten zu erzählen.“
Patricia Highsmith, „Zeichnungen“, 1995, Diogenes Verlag
„Sie war nicht nett“: Mit diesem Satz beginnt die 2014 in deutscher Übersetzung erschienene Patricia Highsmith-Biographie von Joan Schenkar („Die talentierte Mrs. Highsmith“, Diogenes Verlag). Das Buch, immerhin über 1000 Seiten stark, zeichnet das Portrait einer ebenso talentierten wie schwierigen Persönlichkeit: Eine misanthropische, geizige, kinderhassende (dafür Katzen und Schnecken liebende), ab und an seltsam dümmlich antisemitische, gruselige Person. Wenn ich auch erst im zweiten Drittel der Biographie stecke – ja, für Highsmith-Fans ist sie empfehlenswert, schon wegen der Materialfülle und weil es sonst wenig mehr über die amerikanische Schriftstellerin gibt. Zwar hat die Biographie ihre Mängel – manches wird ausgewalzt, wiederholt sich, sie ist, trotz des Umfangs, stark auf den Charakter konzentriert und vernachlässigt die literarische Interpretation der Highsmith-Werke – aber Joan Schenkar hat ihr „Objekt“, die talentierte Mrs. Highsmith gut im Griff. Ihr gelingt die Gratwanderung, die dunklen Seiten der Autorin so darzustellen, dass dies den Respekt für die literarische Leistung nicht mindert. Und – je nach Leser – auch Verständnis wächst für die psychischen Auffälligkeiten der am Ende ihres Lebens von Alkoholmissbrauch und Depressionen gezeichneten Frau.
„Sie war nicht nett“: Nein, beileibe nicht. Aber sie war trotz (oder hinter) ihrer Schroffheit, ihrer Menschenfeindlichkeit ebenso ein Mensch mit einer harmoniebedürftigen, humorvollen, liebevollen, zärtlich-sehnenden Seele. Die jedoch nicht ans Licht durfte, zu sehr überlagert von der gewachsenen Weltablehnung der Einsiedlerin im Tessin.
Man sollte dennoch beim Lesen der Biographie oder einem der Highsmith-Thriller ein besonderes Buch griffbereit haben: 1995 erschienen, ebenfalls beim Diogenes Verlag, „Zeichnungen“ von Patricia Highsmith. Ließ sie in ihren Texten ihren mörderischen, psychopathologischen Anlagen ihren freien Lauf, so stellt sich die Malerin Patricia Highsmith in einem ganz anderen, helleren Licht dar.
In jungen Jahren schwankte Highsmith, die aus einer Graphiker-Familie stammte, zwischen ihren beiden Talenten: Malen oder Schreiben? Wohin die Waagschale ausschlug, wissen wir, spätestens ab dem Erfolg von „Der Fremde im Zug“ war der Zug abgefahren und Patricia Highsmith hauptsächlich, hauptberuflich Autorin. Den Zeichenstift zückte sie vor allem nur noch für das Privatvergnügen, Ausstellungen lehnte sie überwiegend ab. Es war daher eine besondere Geste, dass sie 1994 ihrem Verleger Daniel Keel Einblick gab in ihr bildnerisch-künstlerisches Schaffen. Auch weil die unzähligen Bilder die Geschichte ihres Lebens schreiben. Darunter sorgfältig ausgearbeitete Aquarelle, aber auch flüchtige Bleistiftskizzen, sie alle aber halten Lebensstationen, Orte, Menschen, die geliebten Katzen, Reiseskizzen, Begegnungen, Träume fest – die Highsmith, die sonst in der Öffentlichkeit kaum Privates und Persönliches preisgab, öffnete damit ein Stück ihres Innenlebens. Und sie zeigt ein anderes Gesicht: Die Bilder haben nämlich eines gemeinsam – sie sind überwiegend anmutig-heiter, verspielt.
Für das Buch, das es nur noch antiquarisch gibt, wählte der Verleger 106 Bilder in chronologischer Reihenfolge aus. Patricia Highsmith, die im Februar 1995 starb, schrieb noch ein Vorwort. Dort betont sie:
„Ich befasse mich lieber mit der helleren Seite der künstlerischen Nebenbeschäftigung, wie Zeichnen und Malen. Meine eigenen Werke nehme ich nicht ernst.“
Für Anna von Planta, die dem Bildband ein Nachwort hinzufügte, sind Zeichnen und Schreiben bei der Highsmith „zwei verschiedene Konfrontationen mit der Realität.“
„Kunst, so hat die Schriftstellerin in Interviews wiederholt zu Protokoll gegeben, sei eine Möglichkeit, die Realität auszuhalten, sie zu kontrollieren. Ganz offensichtlich meinte und brauchte sie dazu beides: Malen und Schreiben.“
Mit dem Schreiben, so meine ich, kontrollierte Patricia Highsmith, nach Graham Greene die „Dichterin der unbestimmten Beklemmung“ ihre Ängste, ihre Wut, ihren Zorn auf die Welt. Im Malen kam dagegen – diese Sprache sprechen jedenfalls die Bilder – ihre Liebe zum Dasein (oder auch die Sehnsucht nach einem anderen psychischen Da-Sein) zum Ausdruck.
Schock am frühen Morgen: Du bist mir zuvorgekommen😦 Aber es scheint sich ja um ein schönes Buch zu handeln. Deshalb bleibt „Zeichnungen“ auf Platz 1 meiner Bestellliste …
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Oh, das tut mir leid! Aber ich konnte ja nicht ahnen, dass du auch an dem Buch dran bist Aber macht ja nichts - doppelt gemoppelt sprich vorgestellt hält besser
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Ich werde mit diesem Schicksalsschlag schon irgendwie fertig werden - die Auswirkungen des Schocks lassen schon etwas nach
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Da bin ich sehr beruhigt! Aber ich finde es witzig, dass Du das auch gerade im Auge hast - es ist ja keine Neuerscheinung und Highsmith als Malerin liegt nicht gerade in der Luft.
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Das Bloggerinnen-Dasein ist nicht frei von Überraschungen …
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Was für ein schöner Beitrag über eine meiner liebsten Autorinnen. Das Unglück der Künstler ist die Freude der Leser oder Zuschauer. Beides gleichzeitig scheint wohl nicht einfach zu sein. Hätte es eine glückliche Patricia Highsmith geben können, mit ähnlich phantastischem Werk?
Ich habe hier noch das Buch von Marijane Meaker „Meine Jahre mit Pat“ stehen, das werde ich jetzt auch ganz bald mal lesen. Du schürst immer wieder ganz hervorragend meine Highsmith Gelüste Lieben Grüße …
PS - Hattest Du meine Nachricht auf FB gesehen?
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Das ist eine interessante Überlegung - aber ich konnte mir P.H. nie anders als miesepetrig vorstellen, sicher auch geprägt von den Fotos der Autorin aus den letzten Jahren. Aber eine glückliche Frau schreibt sicher keine solche Bücher - und ja, das stimmt, das Unglück des Künstlers nutzt dem Leser (jetzt werde ich beim nächsten Highsmith-Roman ein schlechtes Gewissen haben
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Wow, ein toller Beitrag. Da es das Buch nur noch antiquarisch gibt, musste ich direkt mal schauen, ob es Bibliotheken anbieten. Ja! Der Link führt zum Karlsruher Virtuellen Katalog. Ich habe die Suche auf Deutschland, Österreich und die Schweiz eingegrenzt. Ihr könnt also auch versuchen, das Buch via Fernleihe in Eurer Bibliothek auszuleihen.
https://tinyurl.com/Highsmith-Zeichnungen
Viele Grüße aus Erkrath von Beate Sleegers
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Danke, Beate! Auch für den Link - das ist ein toller Service für alle, die das Buch jetzt mal ansehen wollen
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Schöner Beitrag von Dir, liebe Birgit. Diese Autorin verstand es wirklich außerordentlich gut, den Leser mit ihren Geschichten zu fesseln, einige ihrer Romane habe ich förmlich verschlungen. Habe mir deshalb jetzt mal den Titel der Biographie notiert, herzlichen Dank für den Tipp!
Liebe Grüße
Constanze
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Liebe Constanze, ich hab von ihr ebenfalls etliches verschlungen - und das nicht nur einmal. Manche Krimis liest man nie wieder - bei Highsmith ist das anders. Sie hatte so einen eigenen Stil, etwas spröde, sehr psychologisch, großartige Literatur.
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