Helme Heine: Prinz Bär (1987).

Nachdem bei “Druckschrift” und “Von Orten und Menschen” gerade viel von Illustratoren, Kinderbüchern, vom Küssen und allerlei Tierchen zu sehen und zu lesen ist, habe ich auch nochmals durch mein Regal gestaubt. Dort schlummert schon seit einem Vierteljahrhundert der “Prinz Bär”. Ein Buch, das ich sehr mag, obwohl ich seine “Botschaft” im Grunde nie verstanden habe. Und meine Zweifel daran hege, ob die Geschichte mit ihrem leicht melancholischem Fatalismus tatsächlich was für Kinder ist. Vielleicht verstehen Kinder das Ganze aber intuitiv viel besser als verbildete Erwachsene?

Zum Autoren und Illustrator: Helme Heine ist 1941 in Berlin geboren. Nach einem Studium der  Wirtschaftswissenschaften und Kunst ging er auf Reisen durch Europa und Asien. Als Autor und Illustrator erhielt Helme Heine viele Auszeichnungen und Preise. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen: „Freunde“, „Die Perle“, „Samstag im Paradies“ und „Na warte, sagte Schwarte“.

Und eben auch “Prinz Bär”:
Die Geschichte ist eine kurze: Da sind Bären, die, hatten sie den Wald satt, mal kurz eine Prinzessin küssten und zum Prinzen mutierten. Hatten die Prinzessinnen das Hofzeremoniell und sonstiges Pipapo über, küssten sie einen Bären. Dann allerdings - aber Achtung! - kommen Holzfäller und machen den Wald platt. Die Bären wollten demnach alle raus aus dem Wald, keine Prinzessin mehr dagegen rein. “Von Stund an konnte sich kein Bär mehr in einen Prinzen verwandeln und keine Prinzessin mehr in einen Bären - egal, wie lange sie sich küßten.” Das ist der letzte Satz.

Aber hallo, Herr Heine! Kein Happy-End? Meinetwegen. Man muss den Kindern schließlich nicht vormachen, es wäre unbedingt erstrebenswert, ein Prinz zu sein. Oder eine Bärin. Aber was will die Story eigentlich sagen? Dass Raubbau am Wald ökologischer Mist ist? Dass nicht in jedem Frosch ein Problembär steckt? Dass Prinzessinnen nicht alle Erbsen im Kissen haben? Dass man nicht in die Haut eines anderen schlüpfen kann? Oder dass Küssen keinen Kummer heilt? Dass es kein Ying und Yang gibt und Männlein und Weiblein immer getrennt bleiben? Ich habe keinen Schimmer.

Und dennoch mag ich das Buch - auch wegen seiner Illustrationen. Nur, Herr Heine, es ist nicht gut, wenn Prinzessinnen und Bären zu (lange) getrennt voneinander sind:

Trio 30: Von Grillenfängern und Liebessängern.

Blick auf das Johann Jakob Fugger, dem “Förderer der Wissenschaften” gewidmete Denkmal in Augsburg. Neben der Wissenschaft widmete er sich auch allerlei anderem, so hatte er 17 Kinder aus zwei Ehen. Von den unehelichen Kindern weiß ich nichts.

Meist führt ein Buch zum andern, bekommt man beim Lesen Geschmack auf mehr von dem einen oder anderen Autoren und auch seinem Umfeld. Und dann stößt man beim Recherchieren im Netz oft auf die schönsten Überraschungen. So ging es mir, als ich nun nach weiteren Gedichten von Hedwig Lachmann suchte. Ich war auf Schmetterlingssuche im Internet und fing mir einen Grillfänger ein.
Die “Edition Grillenfänger” erscheint im Verlag von Udo Degener. Als Großmeister für Schachkomposition hat Degener einiges im Verlagsprogramm für die Anhänger dieses Brettspiels zu bieten. Wer dann nicht schachmatt ist (albernes Wortspiel, ich weiß), der kann sich an der Lyrikreihe entzücken, deren Schwerpunkt auf Dichtern der frühen 1900er-Jahre, des Expressionismus und Dada liegt. Und da gab es für mich einige hübsche Überraschungen - so die Entdeckung von Bess Brenck-Kalischer, ein Band mit Gedichten von Ringelnatz-Vater Georg Bötticher - was die Ringelnatzereien natürlich höchst erfreut! - oder auch eine Wiederbegegnung mit Kurd Adler. Wie auch die bereits vorgestellte Lyrikreihe “Versensporn” lebt auch der “Grillenfänger” vom Engagement leidenschaftlicher Einzeltäter - und ist daher unbedingt unterstützens- und vorstellenswert!
Was nun der Grillenfänger mit dem Fugger zu tun hat? Eigentlich nichts. Außer, dass das Bildmotiv irgendwie assoziativ mit der nachfolgenden Textauswahl zusammenhängen könnte. Vielleicht. Denn aus den Grillenfängern habe ich diesmal ein Trio mit liebestollen Liebessängern zusammengestellt. Weiß man doch, dass, tritt erst das Fleischlich-Erotische in das Leben eines Dichters, mit mancher lyrischen Grille zu rechnen ist…

dada

du dralle
dichtbehaarte
duftend deine dessous
damenhaft dein dekollete

“darf dichter
dich da drücken?

danke!”

Das Gedicht ist dem Grillenfänger 39, “Darf Dichter dich da drücken?” entnommen - eines der wenigen Hefte, das moderner Lyrik gewidmet ist. Zum Dichterduo “Ego & Eder” verrät der Verleger folgendes: “Ego & Eder, ein Erfurter Erzählerduo, erbten eine Erikareiseschreibmaschine, ehe eine Eilsendung edler Einfälle einen Editor erreichte. Er ermöglichte ebendiese epochale Erstausgabe.”

 Die Falle

Ein Jüngling sah ein Mägdelein
Und kaum daß er sie sah - sah - sah,
So rief er: Willst du meine sein?
Und lachend sprach sie: Ja - ja - ja!

Der Jüngling voller Liebeslust
Drang stürmisch auf sie ein - ein - ein:
Komm, laß uns herzen Brust an Brust!
Sie aber lachte: Nein - nein - nein!

Erst sag`: willst du mir folgen blind,
Was dir auch immer droht - droht - droht?
Wohin du willst, du holdes Kind,
Und wär` es in den Tod - Tod - Tod!

So folge mir in jenes Haus,
Zum Standesamte dort - dort - dort!
Da packt` den Jüngling kalter Graus
Und schleunigst sprang er fort - fort - fort…

Wie der Vater, so der Sohne, möchte man nach der Lektüre des Grillfänger 5 sagen.  Nur, dass der Sohnemann es unter seinem Künstlernamen Joachim Ringelnatz dann doch noch ein wenig besser konnte als sein Herr Papa. Dennoch sind die Gedichte von Hans Georg Bötticher, der im Hauptberuf zwar Musterzeichner für Tapeten war, daneben aber auch Schriftsteller, Herausgeber und Mitarbeiter bei humoristischen Blättern, in ihrer altmodischen Art recht amüsant.

Aus: Drei kleine Lieder

Die Liebste sprach: “Ich halt dich nicht,
Du hast mir nichts geschworn.
Die Menschen soll man halten nicht,
Sind nicht zur Treu geboren.

Zieh deine Straßen hin, mein Freund,
Beschau dir Land um Land,
In vielen Betten ruh dich aus,
Viel Frauen nimm bei der Hand.

Wo dir der Wein zu sauer ist,
Da trink du Malvasier,
Und wenn mein Mund dir süßer ist,
So komm nur wieder zu mir!”

Ha! Wenn der Hugo von Hofmannsthal sich da mal nicht getäuscht hat - ist die Liebste klug, dann ist sie schon ums Eck, wenn er vom Grillenfänger 7 - Männertraum wieder zurückkommt.

Wenn Udo Degener nicht Schach spielt oder Lyrikhefte zusammenstellt, dann jongliert er offenbar selbst mit Versen und Worten. Ein Beispiel lag der Büchersendung bei:

Heinrich Heine hat Liebeskummer

Nicht lange täuschte mich das Glück,
Das du mir zugelogen,
Dein Bild ist wie ein falscher Traum
Mir durch das Herz gezogen.

Der Morgen kam, die Sonne schien,
Der Nebel ist zerronnen;
Geendigt hatten wir schon längst,
Eh wir noch kaum begonnen.

Heinrich Heine (1797 - 1856) wäre eigentlich der ideale Begleiter für alle liebeskummrigen Menschen. Für jede der Trennungsphasen, wie sie in einschlägigen Magazinen ausführlichst beschrieben werden - Schockstarre - Wut - Trauer - Rachegelüste - Trotz - Neuanfang - ein passendes Gedicht. Freudscher: Wollte gerade schreiben “Gericht”. Meist steht Liebeskummrigen, vor allem in Phase 1 bis 4,  jedoch eher der Sinn nach sehr, sehr schwermütigen Verse. Kommt man da mit Heine, lädt man den Zorn noch auf sich selbst. Und deshalb ist zu hoffen, für jedermann: Dass die Liebe bleibt. Selbst wenn sie in den Schnee geschrieben steht (gesehen auf dem Augsburger Stadtmarkt). Und nicht mit dem ersten Sonnenstrahl perdu geht. Ist für alle besser. Auch für die Fische:

Wie schändlich du gehandelt,
Ich hab es den Menschen verhehlet,
Und bin hinausgefahren aufs Meer,
Und hab es den Fischen erzählet.

Ich laß dir den guten Namen
Nur auf dem festen Lande;
Aber im ganzen Ozean
Weiß man von deiner Schande.

Irène Némirovsky: Das Mißverständnis (1926).

- Ein Gastbeitrag von Klaus Krolzig -

Während eines sorglosen Urlaubsaufenthaltes verlieben sich zwei Menschen ineinander. Einmal zurück in der nüchternen Alltagswelt scheint diese Liebe gegenüber den alltäglichen Herausforderungen nicht bestehen zu können. Ein klassisches Sujet, ein Klischee – aber was Irène Némirovsky in “Das Mißverständnis” daraus macht, ist ein literarisches Kunststück, das die französische Schriftstellerin bereits im Alter von nur 23 Jahren schrieb. Ihr Erstlingswerk liegt seit 2013 endlich auch in deutscher Sprache vor.

Im Sommer des Jahres 1924 verbringt der verarmte Aristokrat Yves Hartloup seinen Urlaub im südwestfranzösischen Hendaye, wo er auf die junge und hübsche Denise trifft, eine verheiratete Frau aus reichem Hause, die hier ebenfalls mit Mann und Kind die Ferien genießt. Nach anfänglich freundschaftlichem Umgang schlägt der Funke der Liebe auf beide über, als der Gatte von Denise wegen einer längeren Geschäftsreise das Feriendomizil verlassen muss. Vor allem Denise ist rettungslos verloren.

Doch schon sehr bald hat der Alltag in Paris die beiden heimlich Verliebten zurück. Obwohl Yves aus einer begüterten Familie kommt, ist nach dem Ersten Weltkrieg wenig davon übrig geblieben. Er muss seinen Lebensunterhalt als Angestellter in einem Büro verdienen. Die geheimen Treffen nach Yves’Arbeitstag im Büro verlieren rasch den Reiz des Verbotenen. Yves sieht sich mit Ansprüchen (nicht nur finanzieller Natur) konfrontiert, die er nie wird erfüllen können. Doch Denise klammert sich umso mehr an ihn, je deutlicher sie wahrnimmt, dass ihr Yves entgleitet. Sie will Leidenschaft, Intensität und echte Liebe, er sucht hingegen Ruhe und Erholung.

Als sich Denise ihrer Muttter anvertraut, hält diese ihr den Spiegel vor:

“Und außerdem verlangt ihr so verschiedenartige Dinge von der Liebe! Dein Leben ist immer so ruhig, so ungestört, so gleichförmig gewesen… Natürlich brauchst du deshalb die aufregende Liebe, überschwengliche Freuden und neuartige Leiden – und du brauchst Worte, immer wieder Worte, Worte…”
“Und er was braucht er?”
“Ganz einfach Ruhe, Erholung…”
“Maman, was soll ich tun?”
“Was du tun sollst? Ihn vielleicht weniger lieben. Das Übermaß an Liebe zeugt von großer Unbeholfenheit, manchmal ist es ein Unglück… Meine arme Tochter… Das ist das Leben… Das Leben wird dich lehren, wie es mich gelehrt hat… Ein Mann will nicht zu sehr geliebt werden.”

Das “Mißverständnis” schleicht sich ein, und nicht nur eines, sondern gleich mehrere. Lange merkt Denise nicht, dass Yves längst nicht mehr zu den Begüterten gehört, dass er sich vielmehr, um ihrer willen, hoch verschuldet. Stärker ins Gewicht fällt jedoch, dass Denise und Yves unterschiedlich über die Liebe denken, oder anders gesagt: Denise muss unbedingt die drei Worte „Ich liebe dich“ hören, die ihr allein die Gewissheit bringen würden, dass Yves sie auch wirklich liebt, doch Yves kann sie nicht aussprechen, nicht nach allem, was er im Krieg erlebt hat.

„Zum erstenmal spürte sie, dass es zwischen ihren Herzen ein Hindernis gab, wie eine unbestimmte, aber unüberwindliche Grenzlinie. Doch sie sagte nichts; lieber schloss sie die Augen, lieber vergaß sie sich, wollte nichts mehr sehen, nicht mehr sicher sein, ihn nur nicht verlieren, nur das nicht, ihn nur nicht verlieren.“

In diesen Sätzen steckt die ganze Verzweiflung von Denise, aus der sie nicht mehr herausfinden wird. Am Ende verschwindet Yves klammheimlich aus ihrem Leben und folgt dem Ruf nach einer besseren (beruflichen) Zukunft in Richtung Finnland. Beiden bleibt nur noch die Erkenntnis, wie sehr sie sich geliebt haben.

Irène Némirovsky thematisierte immer wieder in ihrem Werk die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs und der Oktoberrevolution auf das französische Bürgertum. Ihre eindringlichen Charakterstudien und gesellschaftlichen Momentaufnahmen machten sie in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts zum Star der französischen Literaturszene. 1903 als Tochter eines jüdischen Bankiers in Kiew geboren, floh sie mit ihren Eltern vor der Oktoberrevolution nach Paris. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde sie 1942 deportiert und starb in Ausschwitz. Erst 60 Jahre später wurde ihr Werk wiederentdeckt. Ihr opus magnum “Suite francaise” wurde zum Weltbestseller. Der Knaus-Verlag hat in den letzten Jahren die meisten ihrer Romane in deutscher Übersetzung herausgebracht.

Link zur Verlagsseite mit Leseprobe: Das Mißverständnis

Else Lasker-Schüler - Du machst mich traurig

Bin so müde.
Alle Nächte trag ich auf dem Rücken
Auch deine Nacht,
Die du so schwer umträumst.

Hast du mich lieb?
Ich blies dir arge Wolken von der Stirn
Und tat ihr blau.

Was tust du mir in meiner Todesstunde?

Else Lasker-Schüler (1869-1945).

2015 wird des 70. Todestages dieser außergewöhnlichen Lyrikerin gedacht. Zeit, an ein Projekt zu erinnern, das bereits zu ihrem 60. Todestag erschien: http://www.elseprojekt.de/

Christian Morgenstern - Du bist mein Land

Du bist mein Land,
ich deine Flut,
die sehnend dich ummeeret;
Du bist der Strand,
dazu mein Blut
ohn’ Ende wiederkehret.

An dich geschmiegt,
mein Spiegel wiegt
das Licht der tausend Sterne;
und leise rollt
dein Muschelgold
in meine Meergrundferne.

Rainer Maria Rilke: Briefe an einen jungen Dichter (1908).

Quelle: http://www.hundertvierzehn.de/artikel/die-welt-von-gestern_130.html

Geduld

Und ich möchte dich,
so gut ich kann bitten,
Geduld zu haben gegen alles Ungelöste
in deinem Herzen,
und zu verstehen.
Die Fragen selbst liebzuhaben
wie verschlossene Stuben
und wie Bücher, die in einer fremden Sprache
geschrieben sind.
Forsche jetzt nicht nach Antworten,
die dir nicht gegeben werden können,
weil du sie nicht leben könntest.
Und es handelt sich darum,
alles zu leben.
Vielleicht lebst du dann
allmählich – ohne es zu merken –
eines fernen Tages in die Antwort hinein.

Rainer Maria Rilke war ein Viel-Brief-Schreiber. Rund 7000 Briefe sind erhalten - und beinahe jeder Brief auch ein Gedicht. Sie gelten als Teil seines literarischen Werks, legen Zeugnis ab vom sprachlichen Stilvermögen, aber auch vom menschlichen Einfühlungsvermögen dieses Dichters. Man möchte selbst Empfänger dieser tiefen Lebensweisheiten gewesen sein.

Reich davon sind die zehn “Briefe an einen jungen Dichter”: Franz Xaver Kappus stand an einem Scheideweg zwischen Offiziers- oder Schriftstellerlaufbahn, als er sich hilfesuchend an den acht Jahre älteren Rilke wandte. Der war zu dieser Zeit bereits unter anderem mit dem “Buch der Bilder” hervorgetreten und steckte während des Briefwechsels mitten im “Malte Laurids Brigge”. In ihrem Austausch tat Rilke jedoch viel mehr, als dem Jüngeren literarische Ratschläge zu geben - vielmehr reflektierte er über:

Das Leben - “Warum eines Kindes weises Nicht-Verstehen vertauschen wollen gegen Abwehr und Verachtung, da doch Nicht-Verstehen Alleinsein ist, Abwehr und Verachtung aber Teilnahme an dem, wovon man sich mit diesen Mitteln scheiden will.
Denken Sie, lieber Herr, an die Welt, die Sie in sich tragen, und nennen Sie dieses Denken, wie Sie wollen; mag es Erinnerung an die eigene Kindheit sein oder Sehnsucht zur eigenen Zukunft hin, - nur seien Sie aufmerksam gegen das, was in Ihnen aufsteht, und stellen Sie es über alles, was Sie um sich bemerken.”

Die Kunst - “Ein Kunstwerk ist gut, wenn es aus Notwendigkeit entstand. In dieser Art seines Ursprungs liegt sein Urteil: es gibt kein anderes. Darum, sehr geehrter Herr, wußte ich Ihnen keinen Rat als diesen: in sich zu gehen und die Tiefen zu prüfen, in denen Ihr Leben entspringt; an seiner Quelle werden Sie die Antwort auf die Frage finden, ob Sie schaffen müssen.”

Die Liebe - “Auch zu lieben ist gut: denn Liebe ist schwer. Liebhaben von Mensch zu Mensch: das ist vielleicht das Schwerste, was uns aufgegeben ist, das Äußerste, die letzte Probe und Prüfung, die Arbeit, für die alle andere Arbeit nur Vorbereitung ist.”

Die Einsamkeit - “Aber vielleicht sind das gerade die Stunden, wo die Einsamkeit wächst; denn ihr Wachsen ist schmerzhaft wie das Wachsen der Knaben und traurig wie der Anfang der Frühlinge. Aber das darf Sie nicht irre machen. Was not tut, ist doch nur dieses: Einsamkeit, große innere Einsamkeit. Insich-Gehen und stundenlang niemandem begegnen, - das muß man erreichen können. Einsam sein, wie man als Kind einsam war, als die Erwachsenen umhergingen, mit Dingen verflochten, die wichtig und groß schienen, weil die Großen so geschäftigt aussahen und weil man von ihrem Tun nichts begriff.”

Das Suchen und Finden - “Sie sind so jung, so vor allem Anfang, und ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, lieber Herr, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.”

Suchen und Finden muss man für sich selbst. Aber Rilke und seine Briefe können dabei ein wunderbarer Wegbegleiter, Lotse und Krücke zugleich sein.

Zwischen 1903 und 1908 schrieb Rilke an Kappus insgesamt zehn Briefe. Sie sind bei Wikipedia abrufbar: http://de.wikipedia.org/wiki/Briefe_an_einen_jungen_Dichter.

Wer das gedruckte Wort vorzieht, für den gibt es die Rilke-Briefe mit einem Vorwort von Kappus bei der Insel-Bücherei:
http://www.suhrkamp.de/buecher/briefe_an_einen_jungen_dichter-rainer_maria_rilke_8406.html

Das Bild zeigt die Handschrift Rilkes, stammt aber von einem Brief an die Verlegersgattin Hedwig Fischer. Es ist entnommen dem Online-Magazin “Hundertvierzehn” des S. Fischer Verlages:
http://www.hundertvierzehn.de/artikel/die-welt-von-gestern_130.html

Siegfried Lenz: Schweigeminute (2008).

Bild: Iris Jahnke

„Bevor sie ausstieg, küsste sie mich noch einmal, und vor der Haustür winkte sie mir zu, nicht flüchtig, nicht beiläufig, sondern langsam und so, als sollte ich mich abfinden mit dieser Trennung. Vielleicht wollte sie mich auch trösten. Damals dachte ich zum ersten Mal daran, mit Stella zu leben. Es war ein jäher, ein tollkühner Gedanke, und heute weiß ich, es war ein in mancher Hinsicht unangemessener Gedanke, der nur entstehen konnte aus der Befürchtung, dass das, was mich mit Stella verband, ein Ende haben könnte. Wie selbstverständlich diese Sehnsucht nach Dauer aufkommt.“

Siegfried Lenz (1926-2014), „Schweigeminute“, 2008, Hoffmann und Campe Verlag.

„Wie selbstverständlich diese Sehnsucht nach Dauer aufkommt“: Es sind solche beinahe lakonischen Sätze, die wie hingeworfenen wirken, die Siegfried Lenz zu einem ganz großen Erzähler machten. Es ist diese Kunst des ökonomischen Einsatzes von Sprache, die nicht nur „Schweigeminute“, sondern das ganze umfangreiche Erzählwerk, das dieser Schriftsteller hinterließ, prägt. In einem Satz die ganze Sehnsucht Liebender eingefangen, in einem Absatz die ganze Erzählung gebündelt: Von der Unmöglichkeit einer Liebe, vom Verlassenwerden, vom Überwindenwollen dessen, was trennt. Anfang und vorgezeichnetes Ende einer Liebe und die in ihr liegenden Schwierigkeiten so nebenbei und unaufdringlich in einem Absatz eingefangen – das ist die leise Erzählkunst von Siegfried Lenz gewesen.

„Wie selbstverständlich diese Sehnsucht nach Dauer aufkommt“: Vielleicht auch ein Schlüsselsatz für die Entstehungsgeschichte dieser Erzählung, die, knapp 130 Seiten lang, ganz ruhig und unaufgeregt in Lenzscher Manier daherkommt und dennoch eine Wucht entfaltet wie die Brandung im Sturm. „Schweigeminute“ erschien 2008, zwei Jahre nach dem Tod seiner ersten Ehefrau Liselotte. Als Liselotte nach 57 Ehejahren starb, stürzt Siegfried Lenz in eine Lebens- und Schreibkrise. Ulrich Greiner erzählte er in der „Zeit“ (Interview vom 14. Mai 2008):

„Meine Frau hat noch die ersten dreißig, vierzig Seiten der Schweigeminute gehört. Wir haben es immer so gehalten, dass ich ihr vorgelesen habe. Sie war sehr einverstanden damit. Dann starb sie. Ich habe später zweimal versucht, die Geschichte wiederaufzunehmen. Ich hatte den Eindruck, dass es katastrophal missglückte. Es ging so weit, dass ich glaubte, die Imagination habe mich verlassen. Aber dann, mit der Zeit, hat es sich wieder geregelt. Eine Freundin hat mir unendlich viel geholfen. So ist es doch geglückt. Ich möchte sagen, dieses Buch war meine Selbstrettung. Und jetzt höre ich von einem Pädagogen, dass er schon im nächsten Jahr dieses Buch als Abiturprüfungsbuch verwenden möchte.“

Gewidmet ist das Buch jener Freundin und Nachbarin, Ulla, die Lenz aus der Krise half und die er 2010 heiratete. So markierte „Schweigeminute“ im Leben des Schriftstellers ein Abschiednehmen und einen Neubeginn zugleich. Und einen Höhepunkt im literarischen Schaffen: 80 Jahre alt wurde Lenz, bis er erstmals eine reine Liebesgeschichte schrieb – eine Erzählung, über die sich Marcel Reich-Ranicki in der FAZ 2008 so äußerte:

„Stella, die Ältere, die über mehr Erfahrungen verfügt, sieht alles skeptischer. Um aber Christian ihr Einverständnis zu erkennen zu geben, sagt sie ihm: „Du musst dir nun überlegen, was besser ist für uns … Es kann nicht so sein wie früher.“ Was immer sie im Sinne haben – sie sind zart zueinander, so zart, wie der Autor dieser Liebesgeschichte zu seinen Geschöpfen ist. Wir haben meinem Freund Siegfried Lenz für ein poetisches Buch zu danken. Vielleicht ist es sein schönstes.“

Ein poetisches Buch, wie wahr: Da ist Christian, der 18jährige, der sich in seine nur wenige Jahre ältere Englischlehrerin Stella verliebt. Sie tanzen nur einen Sommer lang – eine Liebe, die unmöglich scheint, an den gesellschaftlichen Konventionen zu scheitern drohte, wäre ihr nicht ein ganz anderes Ende vorgegeben. Stella verunglückt tödlich auf einem Schiff, „Polarstern“ ausgerechnet dessen Name. Denn in gewisser Weise ist die Ältere für Christian ein Leitstern, ein Fixpunkt. Viel ist von englischer Literatur die Rede, verknüpft mit Politik, gelesen wird Orwells „Farm der Tiere“. So erzählt Lenz im hohen Alter nicht nur von der ersten Liebe, die meist so prägend ist, sondern insgesamt von der Entwicklung der Persönlichkeit eines jungen Mannes. Dazu nochmals aus dem Zeit-Interview:

„Die Wahl fiel deshalb auf den jungen Mann – auch in anderen Büchern, der Deutschstunde zum Beispiel –, weil das Erzählen für mich gleichbedeutend damit ist, leben zu lernen. Mir klar zu werden über dieses unglaubliche Dickicht des Lebens. Erzählen ist eine Selbstbefreiung. Erzähl es, damit du es besser verstehst! Darum delegiere ich den Impuls des Erzählens an einen jungen Menschen, der im Prozess des Erzählens zu sich selbst kommt und zu leben lernt.“

Christian, der bei der Trauerfeier für die Schüler sprechen soll, verweigert sich dem: Zu nahe stand ihm die Verunglückte, zu tiefe Wunden riss ihr Tod. Doch er lernt danach, schreibend das Schweigen zu brechen, mit dem Verlust umzugehen – so wie für Lenz die „Schweigeminute“ eben selbst auch eine Unterbrechung des Erzählens geworden war, ein Weg von der Stille der Trauer zur Wiederaufnahme des Lebens, des Schreibens. Ein Buch, ein Mann, der Hesses „Stufen“ geradezu verkörpert. Dem jeden Anfang liegt ein Zauber inne.

Unweigerlich frägt man sich, wie diese Liebe hätte weitergehen können, ob die Liebe ein genügend starker Damm gegen die Wellen der Empörung gewesen wäre, wie sie miteinander hätten leben, lieben, lachen können. Ob das Ungleichgewicht – Stella vor allem, selbst überrascht von ihrer Zuneigung zu dem Schüler, ringt um ihre Autorität als Lehrerin, gibt sich in der Schule distanziert -, die Differenz der Jahre hätten überwunden werden können. Man wird es nicht erfahren. Und doch verflucht man beim Lesen die Urgewalten des Meeres, betrauert man den Tod – so sehr wünschte man sich auch, dass Christian und sein Stern, seine Meerjungfrau von der Vogelinsel beieinander hätten bleiben können. Die Liebe, sie endet dennoch nie.

So schmal das Buch, so dicht gewebt die Motive. Heinrich Detering in der FAZ am 21. Juni 2008:

Nicht um Wildnis und Zivilisation geht es hier, sondern bloß um Hafen und Vogelinsel, um das Steinriff in der Wassertiefe, um Windstille und Sturmböen am Badestrand; nicht um die Liebe als Feuersbrunst, sondern bloß um den kleinen Brandfleck auf dem Bettlaken. Der einfache Umstand, dass der Vater des Erzählers als „Steinfischer“ Felsbrocken aus den Fahrrinnen heraufholt und Molen aufschüttet, macht auf die lässigste Weise so Hemingwaysche Sätze möglich wie die Erläuterung gegenüber einem schottischen Besucher: „We are only fishing for stones.“

Die Kuhle im Kopfkissen – das ist das äußerste, was Lenz an den körperlichen Spielformen der Liebe beschreibt. Das mag, wo nichts mehr als unbeschreibbar erscheint, wo Seelen- und Körperstriptease zum täglichen medialen Programm gehört, mit dem wir konfrontiert werden, altmodisch erscheinen. Und dennoch liegt in dieser Kuhle gerade die tiefste Zärtlichkeit, die ein Schriftsteller seinen Figuren widmen kann. Es ist, als rieche man noch den Duft der Liebenden im Kissen.

Noch einmal Heinrich Detering zur Erzählkunst des Siegfried Lenz:

„Die Romane, die Siegfried Lenz seit der „Deutschstunde“ veröffentlichte, haben ihrem Autor bis heute eine zweischneidige Popularität eingebracht. Der Rückzug in zeitferne Gegenwelten und eine Neigung zum Bedächtigen, wenn nicht Betulichen, die manche Leser entzückten, haben die Literaturkritik oft auf skeptische Distanz gehen lassen; eher höflichen Respekt als Neigung hat sie diesem Schriftsteller seither weithin entgegengebracht. Gegen diese wohlwollende Unterschätzung ist beharrlich daran zu erinnern, dass Lenz in seinen kurzen Erzählungen die amerikanische short story so stilsicher adaptiert und mit einer genuin deutschen Novellentradition zusammengeführt hat wie kein zweiter Autor seiner Generation, vom Frühwerk bis in Erzählungen wie „Ein Kriegsende“ von 1984.

Wer immer schon der Ansicht war, dass Lenz’ eigentliche Stärke in diesen Erzählungen kurzen und mittleren Umfangs liege, kann sich durch diese Novelle bestätigt finden. Meisterhaft ist sie in einem ganz handwerklichen Sinne. Und ebendeshalb erreicht sie so sicher jenen Punkt, an dem die stupende Präzision der pièce bien faite umschlagen kann in die Magie des Geschichtenerzählens. Altmodisch? Modern? Die alten Streitvokabeln der Lenz-Liebhaber und -Kritiker verblassen vor dieser souveränen Lakonie. Darin liegt das eigentlich Wunderbare dieses Buches: Es ist eine einfache Geschichte.“

Siegfried Lenz, der am 7. Oktober verstorben ist, hinterließ mit „Schweigeminute“ nicht nur eine wunderbar einfache Geschichte, sondern tatsächlich, wie Marcel Reich-Ranicki schrieb, sein poetischstes Werk. Man darf dankbar sein, dass er letzten Endes nach so langem Schweigen auch von der Liebe erzählt hat.

Die Liebe und die Literatur - gestaltet zum Verlieben…

So schön kann die Liebe und Literatur sein - die Literaturliebe und literarische Liebeleien in Szene gesetzt von Claudia Baumann. Mehr zu den Arbeiten der Kommunikationsdesignerin hier: http://www.claudiabaumann.de/

William Carlos Williams - A love song

Liebeslied (1917)

Feg das Haus rein,
häng Vorhänge
vor die Fenster,
zieh ein neues Kleid an
und komm mit mir!
Die Ulme verstreut
ihre kleinen Laibe
süßen Wohlgeruchs –
aus einem weißen Himmel!

Wer in der nächsten Stunde
wird uns hören?
Soll er sagen
eine Wolke Duft
barst von den schwarzen Zweigen.

William Carlos Williams

Die Übersetzung wurde dem insel-Band “Liebesgedichte”, ausgewählt von Michael Krüger, entnommen:

“Wann immer auf William Carlos Williams die Rede kommt, herrscht uneingeschränkte Freude. Er gehört zu den Dichtern, die bis heute faszinieren, und ist der beliebteste Dichter Amerikas. Die Liebe spielt in der Dichtung von William Carlos Williams eine, wenn nicht die zentrale Rolle. Aber nicht in dem Sinne einer narzißistischen
Liebeslyrik, die die Entzückungen und Enttäuschungen der körperlichen Liebe in immer neue Worte kleidet – Indiskretionen sind bei diesem Dichter nicht zu erwarten –, sondern im Sinne einer Weltumarmung.
Dieser Geograph des Sinnlichen geht über den Einzelfall hinaus, er entwickelt keine Theorie der Gefühle, sondern ein Gefühl für die Welt, die ihn umgibt. Gleich weit entfernt von einem romantischen Gefühl, von fiebriger Begierde und Liebe als Abstraktion lehrt uns dieser nie verächtliche Dichter, was Liebe zu Menschen und Dingen sein könnte: eine oftmals geradezu kindliche Werbung für die gewaltige Aufgabe des Herzens.”

William Carlos Williams, geboren am 17. September 1883 in Rutherford/New Jersey, ist am 4. März 1963 dort gestorben.

http://www.suhrkamp.de/buecher/liebesgedichte-william_carlos_williams_35043.html

Wolf Wondratschek: Lied von der Liebe (2008).

“Nighthawks”
nach Edward Hoppers Bild
- Auszug -

Auf Hoppers Bild sind vier Menschen übriggeblieben,
sozusagen die Standardbesetzung:
der Mann hinterm Tresen, zwei Männer und eine Frau.
Kunstfreunde, ihr könnt mich steinigen,
aber diese Situation kenne ich ziemlich genau.

Ein typischer Wondratschek könnte man nun sagen. Kneipenmelancholie, zufällige Begegnungen in der Nacht, von Zigarettendunst und Alkohol geschwängerte Atmosphäre, Blicke, die sich treffen, vielleicht, vielleicht auch nicht, eine kurzzeitige Berührung zweier Leiber, zweier Seelen, der Kater danach, weil die Liebe einer Nacht keine Brücken schlägt, weil die Einsamkeit einsam lässt. Doch Wondratschek, der sich so gerne selbst auch als Bürgerschreck, als Außenseiter, als Einzelgänger stilisiert, kann (und sehnt und liebt und will vielleicht) auch ganz anders. Über die Liebe schreiben. Tief, zart, unsentimental, ehrlich.


Man lese seinen Gedichtband “Lied von der Liebe”. Ein Gefühl, in allen Facetten dargestellt: Vaterliebe, zum Sohn. Die Liebe zu einer Stadt, Wien. Zu anderen Dichtern, Ernst Jandl. Und natürlich zu den Frauen, zwischen Frau und Mann, in allen Facetten: Ersehnt, unerfüllt, wenn erfüllt, dann selten befriedigt, wenn gefunden, dann wunderbar, körperlich, plantonisch, sinnlich, traurig, gefunden, verloren, vorbei.

In diesem Taschenbuch ist für mich mit das Schönste, was die moderne Literatur zu diesem Thema zu bieten hat, zu finden. Begeisterung ununterdrückbar. Wondratschek schreibt wie einer, der sie wirklich kennt, die Liebe in allen Facetten.
Auch “Love for sale” (nach Cole Porter):
Let the poets pipe of love in their childish way
I know every type of love better far than they
If you want the thrill of love, I’ve been through the mill of love
Old love, new love every love but true love.

Der Verlag sagt (Link zum Buch): “Wondratschek kann vieles sein, immer aber ist er ein Romantiker. Er hat die Liebe durchmessen in all ihren Formen, beschrieben in all ihrer Widersprüchlichkeit, bloßgestellt in all ihrer Lächerlichkeit, verherrlicht in all ihrer Größe. Dieser Band versammelt die Liebesgedichte und Gedichte von Wolf Wondratschek, die er abseits seiner Gedichtzyklen geschrieben hat. Liebesgedichte aus allen Lebensphasen sowie neue Gedichte. Alle bislang bei dtv noch nicht veröffentlicht.”

Ja, so kann man auch darum herumschreiben. Besser noch, man lese diese Zeilen:

Wir lagen, faul vor Liebe,
noch im Gras, da färbten schon
sich über uns die Blätter.

Dann standen die Bäume kahl.
Ich sah den Himmel, mehr davon,
als mir lieb war.

Nein, mit der Liebe unten
hat der Himmel nichts zu tun.

Ich nahm eine Handvoll Erde.
Da hast du gesagt: das da
in deiner Hand, so will ich, daß ich werde.

 

 

 

 

 

 

 


Oder - um nur einige Auszüge seiner Gedichte zu bringen:

Nicht lieben müssen,
es wär dann ein Leichtes
zu lieben.

Auch die Kugel, die ins Herz trifft,
sucht Wärme.

Was an mir sterblich ist, nimm es dir.
Es gehört keinem, nicht einmal mir.

Für eine große Liebe
braucht es zwei Einzelgänger
und ein Gebet.

In ihm,
der ein Vogel war,
saß ein Mensch
ohne Flügel.

Und mein Favorit:

Und die Liebe war, was sie sein sollte,
ein in täglicher Anwendung erprobter Zustand
höchster Einfachheit.

TRIO 20: Liebesgeschichten? Bitte, ja! Aber mit Happy End.

Frank Duwald vom Blog “Dandelion/Abseitige Literatur” frägt nach einem der wichtigsten Themen der Literatur (und des Lebens): Büchermenschen aus allen Sparten bis hin zu Amateur-Bloggern wie einermeins geben Auskunft über ihre liebsten Liebesromane. Das lässt tief blicken…
Ich habe mich bei diesem Beitrag bewußt auf Literatur mit Happy End kapriziert. Warum und wieso, das kann man hier nachlesen:
http://dandelionliteratur.wordpress.com/2014/09/13/die-liebsten-liebesgeschichten-folge-4-birgit-bollinger/

Bild: Rose Böttcher

Zur Einstimmung nur die Zitate aus den ausgewählten Werken:

„Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ (1985): Gabriel García Márquez beweist es – Geduld und Ausdauer lohnen sich, wenn es sich um die eine, die große Liebe handelt.

Der Kapitän sah Fermina Daza an und entdeckte auf ihren Wimpern das erste Glitzern winterlichen Reifs. Dann schaute er Florentino Ariza an, sah seine unbezwingbare Fertigkeit, seine unbeirrbare Liebe und erschrak bei dem späten Verdacht, dass nicht so sehr der Tod, vielmehr das Leben keine Grenzen kennt.
“Und was glauben Sie, wie lange wir dieses Scheiß-Hin-Und-Zurück durchhalten können?”
Florentino Ariza war seit dreiundfünfzig Jahren, sieben Monaten und elf Tagen und Nächten auf die Frage vorbereitet:
“Das ganze Leben”, sagte er.

„Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ (1984): Milan Kundera lässt seine Romanfiguren Tomas und Teresa nicht ganz so lange warten.

Jetzt erlebte sie dasselbe sonderbare Glück, dieselbe sonderbare Trauer. Diese Trauer bedeutete: wir sind an der Endstation angelangt. Dieses Glück bedeutete: wir sind zusammen. Die Trauer war die Form und das Glück war der Inhalt. Das Glück füllte den Raum der Trauer aus. (…).
Tomas drehte den Schlüssel im Schloss und zündete den Lüster an. Sie sah zwei aneinandergeschobene Betten, neben dem einen den Nachttisch mit einer Lampe. Ein großer Nachtfalter, vom Licht angezogen, flatterte vom Schirm empor und zog seine Kreise im Zimmer. Von unten erklangen gedämpft die Melodien von Geige und Klavier.

„Sommerwogen“: 1867 sieht der 32jährige Samuel Langhorne Clemens bei einer Fahrt auf einem Schaufelraddampfer das erste Mal ein Bild von Olivia Langdon. Fortan ist es um den etwas windigen Journalisten geschehen: Liebe auf den ersten Blick, das erste und einzige Mal in seinem Leben. Nach ihrem Tod schreibt Clemens in sein Tagebuch:

“In diesen vierunddreißig Jahren haben wir viele Reisen zusammen gemacht, liebe Livy – und nun machen wir unsere letzte; du unter Deck und einsam, ich oben unter den Menschen und einsam.”

Ich wünsche allen ein liebevolles Wochenende!

William Shakespeare - Zweifle an der Sonne Klarheit

Zweifle an der Sonne Klarheit,
Zweifle an der Sterne Licht,
Zweifle, ob lügen kann die Wahrheit,
Nur an meiner Liebe nicht.

“Hamlet”, 2. Akt, 2. Szene, Polonius zitiert einen Brief Hamlets an Ophelia.

Ethan Hawke als “Hamlet”, in der Verfilmung von Michael Almereyda: