Karen Duve: Macht

Dass sie die Leute auch immer so erschrecken muss: Karen Duve wirft mit „Macht“ einen bitterbösen Blick auf die Beziehungen zwischen den Geschlechtern.

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Bild: Michael Flötotto

„Je weiter ich mich dem Gänsemarkt nähere, desto voller wird es. Man kommt kaum noch durch. Okay, es ist Double-Shoppingday, aber erstaunlicherweise sind es vor allem Männer, haufenweise Männer, die aus allen Nebenstraßen quellen, und sie sehen nicht gerade aus, als wären sie in die Stadt gefahren, um neue T-Shirts zu kaufen. Einige von ihnen könnten Hooligans sein – fette Wampen, üble Haarschnitte, aggressive Fressen. Hooligans am frühen Morgen, sie brüllen herum, riechen nach Pommes frites und schwappen den Inhalt ihrer Bierflaschen über die Leute. Andere sehen aus wie Paketboten (…)
Langsam dämmert mir, wo ich hier hineingeraten bin. In eine MASKULO-Demonstration. Ich schaue mich genauer um. Tatsächlich ist weit und breit keine einzige Frau zu sehen. Laut einer BILD-Online-Umfrage von letzter Woche soll der durchschnittliche Demonstrant bei der Anti-Frauen-Bewegung MASKULO aus der Mittelschicht stammen und sowohl gebildet als auch berufstätig sein, was jetzt nicht ganz meinem persönlichen Eindruck entspricht.“

Karen Duve, „Macht“, 2016, Galiani Berlin

Ein Gastbeitrag von Florian Pittroff

Soviel gleich vorne weg – es ist kein Buch für zarte Gemüter. Karen Duve mutet ihren Lesern einiges zu: Einen bitterbösen Machtkampf zwischen Mann und Frau. Die Zeiten, als Männer mehr verdient haben als Frauen und in den Chefetagen der großen Konzerne und der noch größeren Politik das Sagen hatten, gehören längst der Vergangenheit an.

Karen Duve hat fast alles in ihrem neuesten Buch verarbeitet, was in den letzten Jahren in irgendeiner Form gesellschaftspolitisch im Fokus stand. An erster Stelle den Feminismus: Im  Jahre 2031 heißt es beispielsweise konsequent Bundeskanzlerin, ganz gleich welches Geschlecht die/der Amtsträger/in hat. Aber auch der Klimawechsel, die Demokratie und ihre Krisen sowie die „Islamisierung“ des Abendlandes werden be- und verarbeitet. Und selbst der von Medien und Kommerz gepflegte Hype um die ewige Jugend darf nicht fehlen. Da wird der Ausspruch „Altwerden ist nichts für Feiglinge“ zu „Altwerden ist nur was für Feiglinge“. Im Jahre 2031 gibt es nämlich die Verjüngungspille Ephebo. Hier wird das hohe Lied auf die Jugend gesungen - nicht ohne fahlen Beigeschmack. Denn die, die die Pille nehmen und nicht altern, riskieren, an Krebs zu erkranken.

Der Plot des Romans ist bereits im Klappentext kompakt zusammengefasst:

„Wir schreiben das Jahr 2031: Staatsfeminismus, Hitzewellen, Wirbelstürme, Endzeitstimmung und ein 50-jähriges Klassentreffen in der Hamburger Vorortkneipe ›Ehrlich‹. Dank der Verjüngungspille Ephebo, der auch Sebastian Bürger sein gutes Aussehen verdankt, sehen die Schulkameraden im besten Rentenalter alle wieder aus wie Zwanzig- bis Dreißigjährige, und als Sebastian seine heimliche Jugendliebe Elli trifft, ist es um ihn geschehen. Alles könnte so schön sein, wäre da nicht Sebastians Frau, die ehemalige Ministerin für Umwelt, Naturschutz, Kraftwerkstilllegung und Atommüllentsorgung, die er seit zwei Jahren in seinem Keller gefangen hält. Dort muss sie ihm seine Lieblingskekse backen und auch sonst in jeder Hinsicht zu Diensten sein. Seiner neuen Liebe steht sie jetzt allerdings im Weg. Bei dem Versuch, sich seine Frau vom Hals zu schaffen, löst Sebastian eine Katastrophe nach der anderen aus…“

In manchen Momenten erinnert das Buch an Michel Houellebecqs „Unterwerfung“ oder aber auch an Georg Orwells „1984“, ebenso sind Anklänge an Natascha Kampuschs Buch zu finden. Islamisierung, Kellergefängnis und düstere Zukunftsvisionen. Doch trotz alledem: Karen Duves Roman „Macht“ ist gut und flüssig zu lesen, man ist sofort mitten im Geschehen und fiebert dem großen Finale entgegen. Man möchte wissen, wie dieses düstere und gleichzeitig leichte Buch über das bevorstehende Ende der Menschheit ausgehen wird.

Eine Breitseite hat Karen Duve auch auf die Jugend - die mir sehr gut gefällt, weil dann manchmal doch so wahr:
„(…) Da sitzen sie mit ihren verkümmerten Streichholzärmchen und ihren wischenden Riesendaumen und (…) halten sich für überlegen, weil sie besser mit dem Internet umgehen können als die Generation vor ihnen“.

Über den Gastautor:

Florian Pittroff ist Magister der Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte und arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Journalist und Texter. Seine Buchbesprechungen waren unter anderem zu lesen im Kulturmagazin „a3kultur“ und im deutschsprachigen Männermagazin „Penthouse“.  Er verfasste Kulturbeiträge für das Programm des „Parktheater Augsburg“, war unter anderem verantwortlich für die Medien- & Öffentlichkeitsarbeit des kulturellen Rahmenprogramms „City Of Peace“ (2011) und die deutschsprachigen Slam-Meisterschaften (2015) in Augsburg. Florian Pittroff erhielt 1999 den Hörfunkpreis der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien für den besten Beitrag in der Sparte Kultur.

www.flo-job.de

Über das Buch:

Einen Überblick über die Pressestimmen findet man auf der Seite des Verlags. Im Feuilleton kam der Roman nicht nur gut weg - „das beleidigt Literatur und Verstand“ harschte Christoph Schröder in der Zeit, etwas gnädiger, aber auch nicht allzu überzeugt, urteilte Gunda Bartels im Tagesspiegel über das Buch der „lauten Moralistin“ Karen Duve. Ach ja … ich habe es hier liegen, schon einmal parallel zu Florian Pittroff reingelesen und finde die Geschichte um das psychopathische Weichei Sebastian einfach einmal schon sehr unterhaltsam!

8 comments on “Karen Duve: Macht”

      1. wow - weiß gar nicht was ich sagen soll - danke !!!! Soviel Bier wie ich Dir schulde kannste gar nicht trinken, fürchte ich 😉

      2. Ach quatsch … mach dir keine Gedanken: Ich hab das unaufgefordert vom Verlag zugeschickt bekommen - ist also echt keine Sache. Und das mit dem Bier verteilen wir halt auf mehrere Gelegenheiten - demnächst komme ich - aber wahrscheinlich am WE - zur Zauberberg-Ausstellung…

  1. Auch ich habe das Buch gelesen und finde es eher lustig, das viele sich über die Gewalt darin aufregen. Schließlich ist es für mich eine Art Satire und wir leben aktuell in der Wetl von Ego-Shootern, Game of Thrones und Walking Dead. Ich hoffe, das Macht Menschen aufrüttelt, diskutieren lässt und vielleicht auch dazu bringt das jetzige Verhalten unserer Gesellschaft zu reflektieren. Die Autorin will mit dem Buch provozieren und das gelingt ihr gut. Ich freue mich sehr auf nächste Woche, da werde ich die Autorin in einer Lesung erleben!

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