„Magst du bumsen?“, fragte sie plötzlich und zeigte auf meine Badehose.
Das kam überraschend. (…)
Ich zog meine Badehose aus und hängte sie an einem Ast in Blickhöhe. Eine Weile geschah nichts. Die Erde war kühl unterm Hintern. Im Hintergrund plätscherte das Stimmengewirr der Grillgäste und das blecherne Gedudel aus dem Rekorder.
Plötzlich fasste sie sich an den Hinterkopf, zog ihr gelbes Haarband vom Pferdeschwanz, beugte sich vorne, griff beherzt zu und band mir eine große Schleife um meinen Pimmel.
Ich war beeindruckt. Ich hatte das Schleifenbinden noch nicht gelernt, weder im Kindergarten noch zu Hause, sie hingegen brauchte nur ein paar Handgriffe und das Ding saß. Das kleine Luder hatte Erfahrung.
Robert Seethaler, „Jetzt wirds ernst“, Kein & Aber Verlag, 2010.
Mit einem gelben Haarband am besten Stück in der Hecke hocken, eine liebestolle Pubertiererin, die sich im eigenen Hintern verbeißt oder Hormonschübe beim Anblick chevrolet-farbener Zehennägel: Es ist für einen Jungen wahrlich nicht einfach, ein Mann zu werden. Zumal der junge Held in Robert Seethalers Roman mit mehreren Handicaps geschlagen ist: Sensibel, eigenbrötlerisch, leicht tolpatschig und unbeholfen. Der Weg zum Erwachsenwerden ist zudem mit harten Schlägen verbunden – dem Verlust der Mutter und die Erkenntnis, dass die heimlich Angebetete ausgerechnet dem best buddy zugeneigt ist.
Dabei ist jene Lotte (ja, Werther lässt grüßen) ausschlaggebend dafür, dass unser Held denn doch nicht im väterlichen Friseursalon in der Provinz endet, sondern auszieht, um Schauspieler zu werden. Zum Theater kommt er wie die Jungfrau zum Kinde – um Lotte nahe zu sein, meldet er sich für eine Schulaufführung von der „Möwe“. Einmal mit dem Theatervirus angesteckt, liest er sich durch die Weltliteratur und zieht schließlich aus, um die Bühnen der Welt zu erobern…
Mit „Jetzt wirds ernst“ hat Robert Seethaler bereits vor seinem großen Erfolg „Der Trafikant“ einen jungen Mann in den Mittelpunkt gestellt, der sich erst noch suchen und finden muss. Ein locker-fluffig zu lesender Roman, amüsant und voller skurriler Einfälle – da wird en passant ein Altenheim zertrümmert, eine Theateraufführung gesprengt und die Weltliteratur auf die Reihe gebracht:
Die Russen – eine einzige, deprimierende Hölle, aber auch zum Schreien komisch.
Die Amerikaner – genauso versoffen, liebeskrank und todeslustig wie die Russen.
Die Skandinavier- zittrige Seelen in der schneebedeckten Einöde.
Die Schweizer – akkurat, unbestechlich, etwas moralisierend.
Die Österreicher – durchgedreht, witzig, hasszerfressen.
Die Griechen – bei denen geht es richtig zur Sache.
Goethe – starker Dichter, doch vom Theater keine Ahnung
Schiller – alles sehr deutsch. Große Liebe. Große Helden. Großes Geschrei. Große Bürokratie.
Und dann kommt Shakespeare.
Mit Shakespeare wird es für den Nachwuchs-Theaterstar ernst – in der Begegnung mit dem Dramatiker kristallisiert sich das künftige Wohl und Wehe aus. Seethaler dagegen hat mit diesem Roman noch nicht so richtig ernst gemacht – er wirkt ein wenig wie die Vorübung auf den Trafikanten, leichter, natürlich auch mit weniger ernstem Hintergrund: Während der junge Held hier nur aus der Provinz entkommen muss, landet sein gleichalteriges Pendant im Trafikanten geradezu im „Reich des Bösen“, kommt im nationalsozialistischen Wien an und hat sich weitaus anderen Bewährungsproben zu stellen. Vieles, was den Trafikanten auszeichnet, ist jedoch in „Jetzt wirds ernst“ bereits zu finden: Die Mischung aus Skurrilität und Melancholie, Tag- und Nachtträumereien, die Einblick in das Innenleben der Helden geben, und eine große Wärme, mit denen Robert Seethaler seine Figuren umfängt.
Stimmt. Dem Brecht die Lieder vorzuwerfen, das geht wirklich nicht.
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Ja, diese Torheit entschuldigt auch Jugend (Seethaler ist Jahrgang 66) nicht .
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Jahrgang 66 zählt bei Dir noch zur Jugend, liebe Birgit ? Interessant…
(Aber ich glaub ich weiß es einzuordnen ;-))
Von diesem Seethaler wollte ich schon lange mal was lesen, mit Deinem Beitrag wird es wohl noch dringlicher…
Viele Grüße,
Gerhard
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Forever young…dann empfehle ich Dir als Einstieg „Die Biene und der Kurt“ - eine Art Road movie mit einem alternden Rockstar, der als Schlagersänger tingeln muss 🙂
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Forever young, genau ;-)) Danke für den Tipp, hört sich gut an, alternder Rockstar ist genau meine Kragenweite ;-))) Viele Grüße, Gerhard
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Ich muss hinzufügen: Alternder Möchtegern-Rockstar…da kann ich jetzt nichts dafür, das hat der Seethaler so geschrieben…
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Auch ok… ;-)))) Möchtegern-Rockstar, Wannabe-Gangster, nehmen wir alles… 😉
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Die Besprechung ist sehr leseanregend!
Den „Trafikant“ -en habe ich gelesen, für großartig befunden, schon einige Male verschenkt.
Mal schauen, ob meine Bib diesen Titel hier hat.
Was bedeutet „fluffig“- um mich ganz dumm zu stellen…
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Danke…dann wird das dir vielleicht auch gefallen. Fluffig = locker, leicht geschrieben, flutschig zu lesen 🙂
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Hahaha, auf Brecht lässt du gaaaar nix kommen, oder? 😉 Und den „jungen Seethaler“ empfiehlst du auch „Trafikanten“-Begeisterten? Manchmal ist’s ja nichts mit dem Rückwärtslesen…
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Nein, Brecht ist mein Seilenhäuliger 🙂 Da wird`s ernst 🙂
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Hilfe - ich werde ja schamviolett bei dem Text 😉
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Ist doch ganz unschuldig 🙂
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