William Shakespeare - Sonett 116

Let me not to the marriage of true minds
Admit impediments. Love is not love
Which alters when it alteration finds,
Or bends with the remover to remove:
O no; it is an ever-fixed mark,
That looks on tempests, and is never shaken;
It is the star to every wandering bark,
Whose worth’s unknown, although his height be taken.
Love’s not Time’s fool, though rosy lips and cheeks
Within his bending sickle’s compass come;
Love alters not with his brief hours and weeks,
But bears it out even to the edge of doom.
If this be error and upon me proved,
I never writ, nor no man ever loved.

Ich laß, wo treue Geister sich vermählen,
kein Hemmnis gelten. Liebe wär nicht sie,
wollt sie, wo Wandlung ist, die Wandlung wählen;
noch beugt sie vor dem Beugenden die Knie.

O nein, sie steht, ein unverrückbar Zeichen,
sie sieht über die Stürme weg, sie währt;
sie ist der Barke Stern, hoch, ohnegleichen -:
die Höh - ermessen, unbekannt sein Wert.

Legt sie, die Sichel, sich auch um die Wangen,
die rosigen - Lieb’ ist kein Narr der Zeit.
Nicht können Stunden, Wochen sie belangen;
der Jüngste Tag, er findet sie bereit.

So ich dies hier als Wahn erwiesen seh,
so schrieb ich nie und keiner liebte je.

Übersetzt von Paul Celan (1967)

Fürwahr! nicht will ich die Vermählung hindern
Getreuer Seelen. Lieb’ ist ja nicht Liebe
Wenn sie beim Wankelmuth sich kann vermindern,
Und nicht auch treu dem Ungetreuen bliebe.

O nein! Sie ist ein starker Felsenriff,
An dem sich Sturm und Brandung donnernd bricht,
Ein Stern ist sie, für manch bedrängtes Schiff,
Gemessen ist sein Stand, sein Einfluß nicht.

Lieb’ ist kein Narr der Zeit: der Wangen Blüthe,
Sie fällt in ihrer Sense raschem Schwung,
Doch altert nie ein liebendes Gemüthe,
Am jüngsten Tag ist noch die Liebe jung.

Und ist dies falsch, ward’s nicht von mir geübt,
So schrieb ich nie, so ward auch nie geliebt.

Übersetzt von Dorothea Tieck (1826)

Shakespeare beschreibt hier die Liebe in ihrer idealsten (oder idealisierten?) Form. Gepriesen wird die Liebe, die Verbindung, die auf Vertrauen und Verstehen baut. Wahre Liebe, so sagt der Dichter, “is an ever-fix’d mark”, die jede Krise übersteht. In den letzten beiden Zeilen versichert sich der Poet noch einmal selbst – Liebe ist keine Täuschung, kein Irrtum. Dieses Wort wählte zunächst Paul Celan (ein Shakespeare-Verehrer, der die Sonette komplett übersetzte) für seine Übertragung. Später jedoch ersetzte er den „Irrtum“ durch „Wahn“ – für eine Art Liebe, die immer auch an eine Form des Wahn-Sinns erinnern könnte. Celan bleibt auch bei Übersetzungen von Lyrik anderer immer Celan. Wie unterschiedlich im Sprachstil und Sprachfluss und zuweilen auch in der inhaltlichen Interpretation Lyrik-Übersetzungen sein können, machen die beiden Beispiele deutlich. Die Liebe ist kein Narr der Zeit (alle Liebeslust will Ewigkeit) – doch während sie bei Celan für den jüngsten Tag bereit ist, bleibt sie bei der Tieck noch jung. Die unterschiedlichen Temperamente der beiden Übersetzer werden an solchen Feinheiten nur allzu deutlich.

Weitere Shakespeare-Sonette hier:
Sonett 18

Sonett 66
Sonett 130

Barock mit: Christian Hofmann von Hoffmannswaldau

Peter Paul Rubens Boreas entführt Oreithyia

So soll der purpur deiner lippen

So soll der purpur deiner lippen
Itzt meiner freyheit bahre seyn?
Soll an den corallinen klippen
Mein mast nur darum lauffen ein /
Daß er an statt dem süssen lande /
Auff deinem schönen munde strande?

Ja / leider! es ist gar kein wunder /
Wenn deiner augen sternend licht /
Das von dem himmel seinen zunder /
Und sonnen von der sonnen bricht /
Sich will bey meinem morrschen nachen
Zu einen schönen irrlicht machen.

Jedoch der schiffbruch wird versüsset /
Weil deines leibes marmel-meer
Der müde mast entzückend grüsset /
Und fährt auff diesem hin und her /
Biß endlich in dem zucker-schlunde
Die geister selbsten gehn zu grunde.

Nun wohl! diß urthel mag geschehen /
Daß Venus meiner freyheit schatz
In diesen strudel möge drehen /
Wenn nur auff einem kleinen platz /
In deinem schooß durch vieles schwimmen /
Ich kan mit meinem ruder klimmen.

Da will / so bald ich angeländet /
Ich dir ein altar bauen auff /
Mein hertze soll dir seyn verpfändet /
Und fettes opffer führen drauff;
Ich selbst will einig mich befleissen /
Dich gött- und priesterin zu heissen.

Christian Hofmann von Hoffmannswaldau (1617-1679)

Wenn einer Erotik elegant verpacken konnte, dann war es dieser Breslauer, der als Begründer des „galanten Stils“ in der deutschen Barockdichtung gilt. Der Patrizier, obwohl obschon obgleich als Bürgermeister und in anderen Funktionen in Amt und Ehren, feierte das Diesseits, die schönen Genüsse, das Leben, die Liebe, mit allen Sinnen froh.
Nach einem Studium in Leiden und einer Bildungsreise durch die wichtigsten europäischen Länder machte der junge Patrizier schnell Karriere – als erfolgreicher Kaufmann, als Diplomat und Politiker. Wegen seiner Bildung wurde er, obwohl er nicht den „alten“ im Rat vertretenen Familien angehörte, zum Breslauer Schöffen gewählt. Dem Rat gehörte er 32 Jahre lang bis zu seinem Tod im Jahr 1679 an. Hinter dieser Fassade und vor dem rabenschwarzen Hintergrund der damaligen Zeiten in einer vom dauernden Krieg verwüsteten Region legte sich der Hoffmannswaldau zumindest in der Poesie keine Schranken auf.

Die Liebesschifffahrt lässt wohl keine Fragen offen – die Freizügigkeit der Worte ließ die Nachwelt staunen, als Benjamin Neukirch 1695 etliche dieser Texte postum veröffentlichte. Liebeserlebnis, Liebesakt sind hier in ein rhetorisches Kunstwerk verpackt, wechselnd zwischen mythologischen Klängen und saloppen Ausdrücken, steuert der Mast zielsicher seiner Bestimmung entgegen. Sprachlust und sprachliche Schlüpfrigkeiten gegen die schwarzen Zeiten.

Die Welt

Was ist die Welt, und ihr berühmtes Gläntzen?
Was ist die Welt und ihre gantze Pracht?
Ein schnöder Schein in kurtz-gefaßten Grenzen,
Ein schneller Blitz bey schwartz-gewölckter Nacht;
Ein buntes Feld, da Kummer-Disteln grünen;
Ein schön Spital, so voller Kranckheit steckt.
Ein Sclaven-Haus, da alle Menschen dienen,
Ein faules Grab, so Alabaster deckt.
Das ist der Grund, worauf wir Menschen bauen
Und was das Fleisch für einen Abgott hält.
Komm, Seele, komm, und lerne weiter schauen,
Als sich erstreckt der Circel dieser Welt.
Streich ab von dir derselben kurtzes Prangen;
halt ihre Lust für eine schwere Last;
So wirst du leicht in diesen Port gelangen,
Da Ewigkeit und Schönheit sich umfaßt.

Doch nicht nur Koketterie war sein Metier - wie andere Barockdichter auch mahnte der von Hofmannswaldau: “Bedenke, dass du sterblich bist.” In seinem Welt-Gedicht erinnert er die Leser daran, dass alles nur Blendwerk ist, dass der Mensch sich nicht auf das Dies-, sondern auf das Jenseits konzentrieren solle. Die Seele ist es, die lernen muss, sich über den Tellerrand der Weltscheibe zu strecken. Dann, so verspricht es die barocke Frömmigkeit, ist der Lohn gewiss.

Barock mit: Martin Opitz – Das Lied, im Ton

Peter Paul Rubens: Venus und Adonis

Das Lied, im Ton: Ma belle je vous prie

Ach Liebste laß uns eilen             Wir haben Zeit:
Es schadet das Verweilen           Uns beiderseit.
Der schönen Schönheit Gaben Fliehn Fuß für Fuß,
Daß alles, was wir haben             Verschwinden muß,
Der Wangen Zier verbleichet,   Das Haar wird greiß
Der Äuglein Feuer weichet         Die Flamm wird Eis.
Das Mündlein von Korallen        Wird ungestalt.
Die Händ, als Schnee verfallen, Und du wirst alt.
Drum laß uns jetzt genießen     Der Jugend Frucht,
Eh dann wir folgen müssen        Der Jahre Flucht.
Wo du dich selber liebtest,         So liebe mich,
Gib mir, daß, wenn du gibest    Verlier auch ich.

Martin Opitz (1597-1639)

Martin Opitz wurde mit dem schmalen „Buch von der Deutschen Poeterey“ (1624) der Gründer einer neuen deutschen Verskunst am Übergang von der Renaissance in die Barockpoesie. Er setzte die bis heute gültige Übereinstimmung von natürlicher und metrischer Wortbetonung durch. Daneben wurde Opitz mit seinen Übersetzungen und Nachdichtungen berühmter Vorbilder, unter anderem Petrarca, bekannt. Sowohl als Poet, aber auch als Diplomat, Gelehrter und Theoretiker trug der gebürtige Niederschlesier dazu bei, dass die zerrissenen deutschen Gebiete zu einer gemeinsamen poetischen Sprache fanden. Der Sohn eines Metzgers machte eine beispielhafte Karriere – er studierte Philosophie und Jura in Heidelberg, wurde Hauslehrer bei namhaften Persönlichkeiten, Sekretär unter anderem bei König Władysław IV. Wasa von Polen, und begründete nicht zuletzt die Schlesische Dichterschule. Sein ganzes Leben war bewegt und führte ihn, den Sohn eines Handwerkes, durch ganz Europa. 1625 wurde er sogar vom Kaiser zum Poeta laureatus ernannt und später in den Adelsstand erhoben. Seine letzte Station war Danzig, dort fiel er einer Pestseuche zum Opfer.
Das Lied, im Ton entstand mitten in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges. Den Gräueln setzten die Dichter Glaube, Liebe, Hoffnung entgegen. Opitz, ein Vertreter des Humanismus, schuf mit seinem Lied eines der schönsten Liebeslieder dieser Zeit, gekennzeichnet gerade durch das Paradoxe, das auch die Realität der Menschen prägte. Weil die Zeit davoneilt, weil sie vergeht, so wie die Schönheit der Angebeteten, ist es desto wichtiger, die Zeit zu nutzen – „Wir haben Zeit“ meint hier, die Gelegenheit JETZT beim Schopf zu packen. Ob das Lied auf fruchtbaren Boden fiel – man weiß es nicht. Doch selten wurde eine Dame so kunstvoll wohl becirct.

Barock mit: Sybilla Schwarz – Ist Lieb ein Feur

Peter Paul Rubens: Der Wintergarten (1632)

Ist Lieb ein Feur / und kann das Eisen schmiegen /
bin ich voll Feur / und voller Liebes Pein /
wohrvohn mag doch der Liebsten Hertze seyn?
wans eisern wär / so würd eß mir erliegen /
wans gülden wär / so würd ichs können biegen
durch meine Gluht, solls aber fleischen sey /
so schließ ich fort: Eß ist ein fleischern Stein:
doch kann mich nicht ein Stein / wie sie / betriegen.
Ists dann wie Frost / wie kalter Schnee und Eiß
wie presst sie dann auß mir den Liebesschweiß?
Mich deucht: Ihr Herz ist wie Lorbeerblätter /
die nicht berührt ein starker Donnerkeil /
sie / sie verlacht / Cupido / deine Pfeil;
und ist befreyt für deinem Donnerwetter.

Sybilla Schwarz (1621-1638)

„Vor allen Dingen muß allhier nicht vorbey gegangen werden / daß wir in Teutschland Frauenspersonen gehabt / und auch noch zur Zeit haben / die die Männer selbst in der Dichtkunst beschämen können. Um das Jahr 1638 lebte Sibylla Schwartzin / Herrn Christian Schwartzens / Fürstlichen Pommerischen geheimen Land-Raths und Bürgermeisters der Stadt Greiffswalde Tochter. Diese war traun ein Wunder ihrer Zeit / denn sie hat von dem 13. Jahr ihres Alters biß zum 17. worinnen sie seeligen Todes verblichen / Verse geschrieben / die vor solche zarte Jugend und zwar eine Jungfer unvergleichlich sind. Da zu derselben Zeit Männer / die in ihrem vollständigen Alter / und nachgehends keinen geringen Ruhm in der Poesie erworben / es ihr bey weitem nicht gleich gethan. Nach ihrem Tode sind ihre Verse von M. Samuel Gerlachen zu Dantzig An. 1650 in 4to heraus gegeben und mit des Herrn Pastorii und Herrn Titii auffrichtigen Lobsprüchen beehret worden.“

Zitat aus: Georg Christian Lehms „Teutschlands galante Poetinnen. Mit ihren sinnreichen u. netten Proben.“, Frankfurt am Main, Hocker, 1715.

Sybilla Schwarz erhielt, als Tochter eines angesehenen Greifswalder Bürgers, eine gute Ausbildung – bereits etwa mit zehn Jahren begann sie, Gedichte zu schreiben: Zu familiären Anlässen, über die Freundschaft, Liebe und den Tod. Und auch über die Eifersucht und Gehässigkeit jener, die es verurteilten, dass eine Frau dichtete. Im Juli 1638 erkrankte sie an der Ruhr und verstarb im Alter von nur 17 Jahren.
Aus ihrem Nachlass gab ihr Lehrer Samuel Gerlach 1650 ihre »Deutschen Poëtischen Gedichte« in zwei Bänden heraus.

Für das Sonett „Ist Lieb ein Feur“ schlüpfte die „Schwartzin“ in die Rolle eines Mannes, der sich den Kopf über seine Angebetete zerbricht – ist sie so entflammt wie er? Die letzten Zeilen, der Lorbeer als Metapher, zeugen vom hohen Bildungsstand der Dichterin. In der Antike ging man davon aus, dass dem Lorbeerbaum Blitz und Feuer nichts anhaben können – das Herz der Verehrten wird wohl kaum erhitzen, geschweige denn erweichen.

Unbekannte Dichterin - Dû bist min, ich bin din.

Dû bist min, ich bin din:
des solt du gewis sin;
dû bist beslozzen in minem herzen,
verlorn ist daz slüzzelin:
dû muost och immer darinne sin.

Den Schlüssel hat sie verloren, bewusst oder unbewusst, die unbekannte Dichterin, die dieses in einem Brief um 1180 an einen Verehrer schrieb. Wer sie war, man weiß es nicht mit Sicherheit. War sie 17, 29, 48? War`s einseitig, zweiseitig? Alle Fragen offen. Schön aber ist es allemal, dieses lyrische Herz-Gefängnis.

Das Gedicht steht am Ende eines lateinisch geschriebenen Liebesbriefes, enthalten in einer Pergamenthandschrift des Kloster Tegernsee. Vermutlich stammt der Brief von einer Dame, die an ihren Lehrer, einen Geistlichen schrieb. Jener wirbt in seinen Antworten um die Verfasserin, wird jedoch abgewiesen – das Gedicht war anscheinend nur platonisch gemeint. Wie traurig, dass sie in ihrem Kopfe denn doch beslozzen hat, das Herz zu ignorieren.

Jedem Anpfiff wohnt ein Zauber inne – literarisches Fußballfieber

Über das abgewandelte Hesse-Zitat kann man geteilter Meinung sein. Aber eines ist gewiss: In den nächsten Wochen wird die Nation wieder einmal gespaltet sein – in die, für die das Runde unbedingt in das Eckige muss, sowie in jene, denen das Ganze am Allerwertesten vorbeigeht. Fußballfans und Fußballhasser. Wer jedoch meint, das ließe sich auch mit Nicht-Lesern und Lesern, Nicht-Schreibenden und Schriftstellern gleichsetzen, der täuscht: Es gibt sie zwar selten, aber es gibt sie, die interessante Paarung aus Schriftsteller und Fußballfan.

Wilhelm Genazino ist so einer. Jedoch: Wenn, dann verfolgt er, der Einzelgänger, das Geschehen nur auf dem Bildschirm, niemals im Stadion, wo sich das „Erlebnisproletariat“ sammelt. Mit anderen schreien, leiden, singen – nein, so kann man sich Genazino wahrlich nicht vorstellen.

Auch Peter Handke visualisiere ich nicht mit Fan-Schal und Tröte in einem Stadion. Doch auch er schrieb nicht nur über die Angst des Tormanns beim Elfmeter, sondern widmete einem Team sogar ein Gedicht: „Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg vom 2. 1. 1968“.

Ror Wolf hat sich als Fußballdichter einen Namen gemacht, Eckhard Henscheid lobpreiste in einer Hymne den Bum Kun Cha und von Albert Ostermaier, von seinem Hausverlag als „Expressionist unter den zeitgenössischen Dichtern“ gepriesen, erscheint passend zur WM 2014 eine Auswahl seiner Fußball-Oden: „Flügelwechsel“. Vor allem der Titan wird da besungen:

„wenn er beim eckball wie ein blonde katze aus dem tor stürmt auf einer welle der begeisterung durch die blauen lüfte fliegt“

Quelle: Süddeutsche Zeitung Magazin

Aber, damit der Fußball auch literarisch wieder dahinkommt, wo er heim- und hingehört - Nick Hornby schrieb sich mit „Fever Pitch“, das „Ballfieber, die Gesichte eines Fans“ von der Seele. Football is coming home.

Wobei der internationale Fußball ja schon lange nicht mehr englisch spielt, vielmehr kommt einem alles recht spanisch vor. Kein Wunder bei solchen Anhängern: Javier Marías veröffentlichte einen ganzen Band mit Fußball-Stücken: „Alle unsere frühen Schlachten“ – erschienen bei Klett-Cotta. Das liest sich dann beispielsweise so:

„Wenn Sie das hier lesen, sind es nur noch drei Tage, bis mein Verein (Anmerkung: Real Madrid, oleoleole) zum siebten Mal den Europokal gewinnt (und das sechste Mal ist zweiunddreißig Jahre her. Glauben Sie nicht, ich hätte bei dieser Behauptung kein Herzklopfen. Schlimmer noch, die Schreibmaschine ist mir vom Tisch gefallen, ich habe siebenmal auf Holz geklopft, siebenmal die Daumen gedrückt und sieben Stoßgebete an den Heiligen Di Stéfano gesandt.“ (1998)

Oder so:

„Warum haben sie das getan? Die Zeitung bittet mich, über die ästhetischen und stilistischen Aspekte der Weltmeisterschaft zu schreiben, und unsere Spieler laufen gleich beim ersten Match mit einem Spitzbart ein. Wenn das so weitergeht, werde ich nicht nur für Kamerun sein, sondern auch gegen Spanien, der Antipatriot par excellence. Wenn es sich um eine jener verspielten Haartrachten handelt, die Glück bringen sollen, so hätten sie sich auch etwas anderes aussuchen können: Oberlippenbart, langes Haar, Zöpfe wie Baggio oder der Schweizer Sutter oder der amerikanische Torhüter Meola (der aussieht, als wäre er einem Tarantino-Film entsprungen). Sogar Koteletten à la Neskens hätten mehr hergemacht. Nicht nur, dass ich meine Meinung dazu seit Jahren immer wieder von der Erfahrung bestätigt gefunden habe, nämlich: auf Männer mit Spitzbart ist kein Verlass, genauso wenig wie auf Sandalenträger; wenn sie aber gleich beides tragen, muss man sie schonungslos vertreiben: `Fort mit dir, du mönchische Gestalt´ sollte man ihnen etwa zurufen.“ (1994)

Und da heißt es, nur für Frauen sei die Fönfrisur des Mario Gomez ein Thema (aber der darf diesmal ja gar nicht mitspielen). Ein Thema, das im Übrigen auch Bernhard Blöchl in seinem Debütroman „Für immer Juli“ amüsant aufgreift: Gomez und die Frisur.

Zurück zum Fußball: Föhnwelle hatten die Ausputzer früherer Tage gar nicht nötig.

Eine der schönsten „Liebes“-Erklärungen, so versicherte mir ein feinsinniger Fußballfan, habe Wolf Wondratschek dem berühmten „Katsche“ gewidmet. Man lese und lerne:

Gedicht für Georg Schwarzenbeck

Zwei Beine, ohne Interesse an Genialität,
vereinfachter Mechanismus, nichts Brasilianisches,
kein Sternenlauf, kein Jubel in den Fußgelenken,
Standbein, Schussbein, nichts für Genießer,
und trotzdem einer, dessen die Menschen,
die ihn spielen sahen, gedenken.

Ein großer Dorn, der stach und dicht hielt,
der die Anstürmenden ersaufen ließ, das Feuer zertrat,
das sie bereit waren zu entfachen.
Nichts da, ich arbeite, ich komme aus der Vorstadt,
ich bin geboren für das Einfache.
Nicht einmal Siege sind es am Ende, die zählen.

Unzuständig für alles Künstlerische!
Kein Dribbling, kein nie gesehener Trick,
stattdessen Luft für neunzig Minuten, und notfalls
für die Verlängerung, wenn die Kollegen Krämpfe quälen.
Merkwürdig, daß so einer, eckig wie eine leer gegessene
Pralinenschachtel, etwas trifft, das rund ist.

Wer nicht zur Spezies derer gehört, die schon WM-fiebern, der kann dies wohl kaum nachvollziehen. Allenfalls versuchen, diese Faszination mit psychologischen Hilfsmitteln zu verstehen: „Jedes Fußballspiel ist eine Zelebration des menschlichen Unvermögens“, schreibt der Kommunikationswissenschaftler und Schriftsteller Klaus Hansen in seinem 2013 im Kunstanstifter Verlag erschienenen Buch „TOOR! Jedem Anpfiff liegt ein Zauber inne“. Zuschauen und mitfiebern, wenn andere sich quälen – es lebe der Sport, dudelte einstmals schon so schön Rainhard Fendrich. Oder, eleganter ausgedrückt mit Hansen:

„Im Fußballspiel hat die freiwillige Selbsterschwerung gewiss einen zivilisatorischen Höhepunkt erreicht.“

Apropos Selbsterschwerung: Die ist vor allem auch dann erreicht, wenn Ballkünstler vor Mikros treten. Das alte Klischee vom dumpfen Sportler. Ja, ich weiß, abgenudelt und ungerecht – es gibt auch viele mit IQ. Soll es geben. Und trotzdem, der Spaß muss sein – hier ein paar Sätze aus dem Abseits.

„Unsere“ Mottos (Mottis? Motten?) für Brasilien:

„Wir müssen gewinnen, alles andere ist primär“, sagt Hans Krankl. Und wenn das schwer wird, dann hilft nur Motivation à la Lukas Podolski: „Jetzt müssen wir die Köpfe hochkrempeln. Und die Ärmel natürlich auch.“
Recht so, bestätigt Helmut Schön: „Da gehe ich mit Ihnen ganz chloroform.“ Sollte man aber auch alles nicht überbewerten, weil, „das wird alles von den Medien hochsterilisiert“. Bruno Labbadia kennt sich da aus.

Und überhaupt, man übe mit Rehhakles Gelassenheit: „Mal verliert man und mal gewinnen die anderen”. Oder halte es mit Bundes-Berti: „Wie so oft liegt auch hier die Mitte in der Wahrheit“.

Denn nicht jeder schafft, was nur die Lichtgestalt kann: „In einem Jahr hab` ich mal 15 Monate durchgespielt.“ Da hyperventiliert selbst Loddar: „Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken!“

Was soll`s. Das ist Schnee von morgen, sagt Jens Jeremies. Und was die WM anbelangt, so bringt Andreas Möller alles auf den Punkt: „Ich hatte vom Feeling her ein gutes Gefühl.“

Geht was daneben, hilft nur eine Maßnahme, wie sie schon Fritz Walter genoss: „Die Sanitäter haben mir sofort eine Invasion gelegt.“ Dabei hatte Olaf Thon den Spieler nur ganz leicht retuschiert.

Ein Pokal sollte her! Sonst sagt Jürgen Wegmann wieder den berühmten Satz: „Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu.“

Aber eigentlich auch alles wurscht. Hauptsache ist, laut Bundes-Berti: „Sex vor einem Spiel? Das können meine Jungs halten, wie sie wollen. Nur in der Halbzeit, da geht nichts.“ Weil, sonst: „Heute war hinten nichts, in der Mitte nichts und vorne nichts.“ Und so gehört das Schlusswort Friedel Rausch.

Waren schon einmal als Gäste hier:

William Shakespeare - Sonett 66

Tir’d with all these, for restful death I cry,
As, to behold desert a beggar born,
And needy nothing trimm’d in jollity,
And purest faith unhappily forsworn,
And guilded honour shamefully misplaced,
And maiden virtue rudely strumpeted,
And right perfection wrongfully disgraced,
And strength by limping sway disabled,
And art made tongue-tied by authority,
And folly (doctor-like) controlling skill,
And simple truth miscall’d simplicity,
And captive good attending captain ill:
Tired with all these, from these would I be gone,
Save that, to die, I leave my love alone.

Müde von der Welt, allein die Liebe lohnt zu leben – das Sonett 66 von William Shakespeare, in seinem melancholischen Weltschmerz, um nicht zu sagen, Weltekel, hebt es sich heraus aus den 154 Sonetten. Auch an diesem wunderbaren Stück Lyrik haben sich zahllose Übersetzer versucht – mit wechselndem Erfolg.

Anbei vier Beispiele, wie die Shakespeare-Übertragung im Lauf der Zeit auch Sprachstil, Zeitgeist und sogar „Ideologie“ unterworfen war – da macht Biermann ihn flugs zum „Genossen“ in einem etwas peinlich-exaltiertem Vortrag (siehe Video).
Herausragend die Übersetzungen von Christa Schuenke – sie waren denn auch Grundlage der Inszenierung von Robert Wilson am Berliner Ensemble mit der Musik von Rufus Wainwrigh: http://www.berliner-ensemble.de/repertoire/titel/38/shakespeares-sonette

Den Tod mir wünsch’ ich wenn ich ansehn muß
Wie das Verdienst zum Bettler wird geboren
Und hohles Nichts zu Glück und Überfluß,
Und wie der treuste Glaube wird verschworen,

Und goldne Ehre schmückt manch schmachvoll Haupt,
Und jungfräuliche Tugend wird geschändet,
Und wahre Hoheit ihres Lohns beraubt,
Und Kraft an lahmes Regiment verschwendet,

Und Kunst im Zungenbande roher Macht,
Und Wissenschaft durch Schulunsinn entgeistert,
Und schlichte Wahrheit als Einfalt verlacht,
Und wie vom Bösen Gutes wird gemeistert –

Müd’ alles dessen, möcht’ ich sterben – bliebe
Durch meinen Tod nicht einsam meine Liebe.

Übertragung von: Friedrich Bodenstedt (1819 bis 1892)

Dies alles müd ruf ich nach todes rast:
Seh ich Verdienst als bettelmann geborn
Und dürftiges Nichts in herrlichkeit gefasst
Und reinsten Glauben unheilvoll verschworn

Und goldne Ehre schändlich missverwandt
Und jungfräuliche Tugend roh geschwächt
Und das Vollkommne ungerecht verbannt
Und Kraft durch lahme Lenkung abgeflächt

Und Kunst schwer-zungig vor der obrigkeit
Und Geist vorm doktor Narrheit ohne recht
Und Einfachheit missnannt Einfältigkeit
Und sklave Gut in dienst beim herren Schlecht

Dies alles müd möcht ich gegangen sein,
Liess ich nicht, sterbend, meine lieb allein.

Übertragung von: Stefan George (1868-1933)

 

Müd müd von all dem schrei ich nach dem Schlaf im Tod
Weil ich ja seh: Verdienst geht betteln hier im Staat
Seh Nichtigkeit getrimmt auf Frohsinn in der Not
Und reinster Glaube landet elend im Verrat

Und Ehre ist ein goldnes Wort, das nichts mehr gilt
Und einer Jungfrau Tugend wird verkauft wie’n Schwein
Und weil Vollkommenheit man einen Krüppel schilt
Und weil die Kraft dahinkriecht auf dem Humpelbein

Gelehrte Narrn bestimmen, was als Weisheit gilt
Und Kunst seh ich geknebelt von der Obrigkeit
Und simple Wahrheit, die man simpel Einfalt schilt
Und Güte, die in Ketten unterm Stiefel schreit

Von all dem müde, wär ich lieber tot, ließ ich
In dieser Welt dabei mein Liebchen nicht im Stich.

Übertragung von: Wolf Biermann

All dessen müd, nach Rast im Tod ich schrei,
Ich seh es doch: Verdienst muß betteln gehn
Und reinste Treu am Pranger steht dabei
Und kleine Nullen sich im Aufwind blähn
Und Talmi-Ehre hebt man auf den Thron
Und Tugend wird zur Hure frech gemacht
Und wahre Redlichkeit bedeckt mit Hohn
Und Kraft durch lahme Herrschaft umgebracht
Und Kunst das Maul gestopft vom Apparat
Und Dummheit im Talar Erfahrung checkt
Und schlichte Wahrheit nennt man Einfalt glatt
Und Gutes Schlechtesten die Stiefel leckt.
All dessen müd, möcht ich gestorben sein,
Blieb nicht mein Liebster, wenn ich sterb, allein.

Übertragung von: Christa Schuenke

TRIO 12: Rembrandt inspiriert

Lied vom Selbstportrait dieses Malers

Die Augen Rembrandts habe ich niemals
verstanden Wie sie hemmungslos ruhig
von der Leinwand sehn
und erzählen

was die Gabe bedeutet alles in Bilder zu
fassen einschließlich sich selbst Wie
das Kommando der Schatten
nicht stillsteht sondern immer

weitermacht rein aus Konsequenz
und in sattem Impasto
Wie alles schimmert abbricht
um erneut zu schimmern einen neuen
Platz in einem Rechteck sucht

Das Gelb im Blumenkrug etwa Es fliegt
Mit Wünschen weg als ob
ein Löwenzahn voll Wimpern wär

Silke Scheuermann

Rijn van Rembrandt (1606-1669) hat rund 70 Selbstbildnisse von sich gemalt, darunter auch das berühmte Doppelportrait mit seiner Ehefrau und Muse Saskia van Uylenburgh. Als diese 1642, gerade einmal knapp 30 Jahre alt geworden, starb, stürzte Rembrandt in eine tiefe Krise.

Die 1973 in Offenbach geborene Lyrikerin Silke Scheuermann hat vermutlich für die letzte Strophe ihres Gedicht auch dieses Doppelportrait als Impuls genommen. „In dem 2007 erstmals publizierten Lied vom Selbstportrait dieses Malers entwirft sie eine subtile Apologie auf das kunstvolle Spiel mit Licht und Schatten, das auch ein Spiel der poetischen Brechungen und Spiegelungen ist“, kommentiert Michael Braun, Herausgeber des „Lyrik-Taschenkalenders“ im Verlag Wunderhorn.

Wie auch immer: So ausgelassen und doch in sich ruhend Rembrandt auch zur Entstehung des Doppelportraits (ca. 1635) noch blickte - nach Saskias Tod verlor er viel von seiner künstlerischen Kreativität und Produktivität, trotz neuer Verbindungen, trotz Konzentration auf die Erziehung des Sohnes. Ein Teil des Schimmers war verloren gegangen.

Er aber, Ferber selbst, den ich, von draußen hereinkommend, zunächst gar nicht gesehen hatte, saß in seinem roten Samtfauteuil im Halbdunkel des Hintergrunds, hielt eine Teetasse in der Hand und blickte seitwärts her zu dem Besucher, der jetzt, wie Ferber damals, auf die Fünfzig ging, während er, Ferber, bald an die siebzig Jahre zählen mußte. Sein Begrüßungswort war: Aren’t we all getting on! Mit einem hintertriebenen Lächeln sagte er dies, und dann deutete er, der mir in Wirklichkeit nicht im geringsten gealtert schien, auf die an demselben Platz wie vor fünfundzwanzig Jahren an der Wand hängende Kopie des von Rembrandt gemalten Porträts eines Mannes mit einem Vergrößerungsglas und setzte hinzu: Only he doesn’t seem to get any older.

“Die Ausgewanderten”, W.G. Sebald.

Das “Bildnis eines Mannes mit Vergrößerungsglas” (1667/68) gehört zum Spätwerk Rembrandts. Ausgereift ist hier sein Umgang mit dem Licht - der Hell-Dunkel-Kontrast gibt dem Portrait seine Tiefe und Dramatik. Im Grunde ist dies auch auf Sebalds Erzählung über Max Ferber aus dem Band “Die Ausgewanderten” anzuwenden - das Portrait eines Malers inmitten der niedergegangenen, düsteren Industriestadt Manchester.

Rembrandts “Die Judenbraut” (freundlicher klingt die ebenfalls verwendete Bezeichnung für das Bild, “Das jüdische Bräutchen”) erhielt seinen Namen im 19. Jahrhundert. Ein  Amsterdamer Kunstsammler interpretierte die Szene als die eines  jüdischen Vaters, der seiner Tochter an ihrem Hochzeitstag eine Halskette schenkt. Inzwischen gehen die Kunstexperten von einer anderen Annahme aus - übrig von den vielen Interpretationen bleibt letztendlich nur die übereinstimmende Meinung, dass es sich um ein Liebespaar handelt. Die Spekulationen bezüglich der Identität der Dargestellten reichen - nach Wikipedia - von Rembrandts Sohn Titus und seiner Braut, über den Amsterdamer Dichter Miguel de Barrios und seine Frau bis hin zu diversen Paaren des Alten Testaments.

Die Autorin Anneka Brassinga ließ sich von diesem Gemälde, das auf 1667 datiert wird, jedenfalls zu einem schönen Gedicht auf die Liebe inspirieren. Anneke Brassinga ist als Übersetzerin von Vladimir Nabokov, Samuel Beckett, Sylvia Plath und Ingeborg Bachmann in das Niederländische bekannt, außerdem veröffentlicht sie eigene  Lyrik-, Prosa- und Essaybände. Ik heb het Rood van ‘t Joodse Bruidje lief stammt aus dem Band IJsgang (Amsterdam, 2006).

Ik heb het Rood van ‘t Joodse Bruidje lief
…het broderietje kruip ik over, ‘t kuise
blozende vergood ik, schroomvol ruisende
de rode gewaden als bijna-dode wingerdbladen
om haar heen, een ruif is zij mijn haverkist,
mijn stoof van suikering, de kozende struise
een struikje broos, ik heb mijn hand op dit
broodje gelegd - de ruiker van haar konen
rozen, zij is het blote fruit aan mij geopend,
ruigte van het toegedane, schoon ontluiken
in hoofs genegenzijn, o vroom beschuitje,
boterschaapje, vlam van dromerig verpozen en
de roze handen, roomsoezige blankte schuilend
onder inkarnate korenschoof van ‘t grootse
bruidje, en ik gouden man heb lief dit alleen
aan de dood te verliezene, glorende duifje.
Übersetzung von Ira Wilhelm:
Ich hab das Rot des Judenbräutchens lieb
…über das Börtchen kreuche ich, das keusch
sich Rötende vergöttere ich, scheu geräuschvoll
die roten Gewebe wie fast tote Jungfernrebe
sie umbauschend, Raufe ist sie, Haferkiste mir,
Stövchen der Verzuckerung, ein kosend dralles
Kräutchen Sprödigkeit - ich habe meine Hand auf dies
Brötchen gelegt - das Sträusschen ihrer Wangen
Rosen, sie ist die blosse Frucht, die sich mir öffnet,
sich sträubend mir zugetan, schönes Erblühen
in höfischer Zutraulichkeit, o frommes Zwiebäckchen,
Butterschäfchen, Flamme traumhaften Verweilens und
die rosaroten Hände, Sahnehäubchen verborgen
unterm Inkarnat der Korngarbe dieser stolzen
Braut, und ich goldner Mann hab lieb nur dies
an den Tod zu verlierende, holdreiche Täubchen.

Allen Ginsberg zum Muttertag

Mendel Levy, Eugene Ginsberg, Beat poet Allen Ginsberg, Naomi Ginsberg and Louis Ginsberg, 1936

“There, rest. No more suffering for you. I know where you’ve gone, it’s good.”

Allen Ginsberg, “Kaddish”,
für seine Mutter Naomi Ginsberg, 1894—1956.

In voller Länge hier: Kaddish

Langston Hughes - I, Too, Sing America

I, too, sing America.

I am the darker brother.

They send me to eat in the kitchen
When company comes,
But I laugh,
And eat well,
And grow strong.

Tomorrow,
I’ll be at the table
When company comes.
Nobody’ll dare
Say to me,
“Eat in the kitchen,”

Besides,
They’ll see how beautiful I am
And be ashamed—

I, too, am America.

Langston Hughes, 1902-1967.

Das 1924 entstandene Gedicht “I, Too, Sing America” ist eines der bekanntesten Werke der frühen Bürgerrechtsbewegung. Hughes war Teil der “Harlem Renaissance”:”Die Harlem Renaissance war die erste Blüte afroamerikanischer Kunst, die über vereinzelte Werke hinausging. Ausgelöst wurde die Bewegung, ähnlich wie das Jazz-Zeitalter, durch die massenhafte Abwanderung schwarzer US-Amerikaner aus den Südstaaten in Richtung Norden. Im New Yorker Stadtteil Harlem hatte der Afro-Amerikaner Philip Payton ab 1904 den Immobilienmarkt zu großen Teilen übernommen. Seit dieser Zeit - und besonders in den 1920er Jahren - wurde Harlem zum Synonym für afroamerikanische Kultur, da dort die schwarze Mittelklasse lebte.

Wesentlichen Einfluss auf die Bewegung hatte die von Alain LeRoy Locke herausgegebene Anthologie The New Negro (1925), in der der Philosoph und Kritiker Prosa, Lyrik, Theaterstücke und Essays einer neuen Generation afroamerikanischer Autoren sammelte. In seinem Vorwort bezeichnete Locke die Abwanderung aus den Südstaaten in den Norden als „eine Art geistiger Befreiung“, durch die afroamerikanische Kunst erstmals eine eigene Identität entwickeln konnte - jenseits der weißen Vorbilder. In der Kunst der Harlem Renaissance spielen so auch afrikanische Überlieferungen, afroamerikanische Traditionen, sowie Gospel und Jazz eine große Rolle. Auch weiße Autoren, allen voran der Journalist und Fotograf Carl van Vechten, förderten die Bewegung - und wurden von ihr beeinflusst. Die Mäzenin Charlotte Mason beschäftigte und förderte eine Reihe von Künstlern, hatte aber auch ein eigenes Verständnis der indianischen und afroamerikanischen Kultur. Im November 1926 verlieh die junge Generation der Schriftsteller mit der einzigen Ausgabe des Magazins Fire!! ihrer Stimme Gehör.” (Quelle: Wikipedia)

Hier trägt Langston Hughes sein Gedicht selbst vor:

Sylvia Plath - Bitter Strawberries

http://en.wikipedia.org/wiki/User:Jack

Bitter strawberries

All morning in the strawberry field
They talked about the Russians.
Squatted down between the rows
We listened.
We heard the head woman say,
‘Bomb them off the map.’

Horseflies buzzed, paused and stung.
And the taste of strawberries
Turned thick and sour.

Mary said slowly, ‘I’ve got a fella
Old enough to go.
If anything should happen…’

The sky was high and blue.
Two children laughed at tag
In the tall grass,
Leaping awkward and long-legged
Across the rutted road.
The fields were full of bronzed young men
Hoeing lettuce, weeding celery.

‘The draft is passed,’ the woman said.
‘We ought to have bombed them long ago.’
‘Don’t,’ pleaded the little girl
With blond braids.

Her blue eyes swam with vague terror.
She added petishly, ‘I can’t see why
You’re always talking this way…’
‘Oh, stop worrying, Nelda,’
Snapped the woman sharply.
She stood up, a thin commanding figure
In faded dungarees.
Businesslike she asked us, ‘How many quarts?’
She recorded the total in her notebook,
And we all turned back to picking.

Kneeling over the rows,
We reached among the leaves
With quick practiced hands,
Cupping the berry protectively before
Snapping off the stem
Between thumb and forefinger.

 

William Shakespeare - Sonett 18

Sonnet 18

Shall I compare thee to a summer’s day?
Thou art more lovely and more temperate;
Rough winds do shake the darling buds of May,
And summer’s lease hath all too short a date;
Sometime too hot the eye of heaven shines,
And often is his gold complexion dimm’d;
And every fair from fair sometime declines,
By chance or nature’s changing course untrimm’d;
But thy eternal summer shall not fade,
Nor lose possession of that fair thou ow’st;
Nor shall Death brag thou wander’st in his shade,
When in eternal lines to time thou grow’st:
So long as men can breathe or eyes can see,
So long lives this, and this gives life to thee.

William Shakespeare

Wenn sich Tilmann von 54books nicht gerade in Hamburger Verlagshäusern aufhält (hier klingt durchaus leichter Neid durch), dann stellt er auch einmal ganz unterschiedliche Übersetzungen Shakespear`scher Sonette zusammen:
http://www.54books.de/sonett/. Und kommt mir damit um Monate zuvor.

Weitere Varianten des Sonetts 18 sind hier zu finden:
http://www.deutsche-liebeslyrik.de/europaische_liebeslyrik/shakespeare/shakespeare_18.htm.

Und, weil er so schön den Schmacht in der Stimme hat, hier die Interpretation von Brian Ferry:

Gioconda Belli - Pesceras del amor

Pesceras del amor

Nuestros cuerpos de peces
se deslizan uno al lado del otro.
Tu piel acuática nada en el sueño
junto a la mía
y brillan tus escamas en la luz lunar
filtrándose por las rendijas.
Seres traslúcidos flotamos
confinados al agua de nuestros alientos confundidos.
Aletas de piernas y brazos se rozan en la madrugada
en el oxígeno y el calor
que sube de las blancas algas
conque nos protegemos del frío.
En algún momento de la corriente
nos encontramos
lucios peces se acercan a los ojos abiertos
peces sinuosos reconociéndose las branquias agitadas.

Muerdo el anzuelo de tu boca
y poco después despierto
pierdo la aleta dorsal
las extremidades de sirena.

Gioconda Belli

Im Aquarium der Liebe

Unsere Fischkörper
schlängeln sich einer am anderen.
Deine Wasserhaut schwimmt im Schlaf
nah an der meinen
deine Schuppen schimmern im Mondlicht
das einfällt durch die Ritzen.
Durchsichtige Wesen, schwebend,
auf den Wogen unseres Atems.
Unsere Arme und Beine sind Flossen,
die sich berühren im Morgengrauen,
im Sauerstoff und der Wärme,
die aus den Algen aufsteigt und die
uns beschützt vor der Kälte.
An irgendeinem Punkt der Strömung
finden wir uns
- glänzende Fische, die sich mit offenen Augen nähern,
die sich winden und die bebenden Kiemen erspüren.

In der Zeit zwischen Schlaf und Erwachen
schnappe ich nach dem Angelhaken deines Mundes
und verliere mich darin
wie die Sirene ihre Rückenflosse.

Bildquelle: http://www.mymodernmet.com/profiles/blogs/octavio-aburto-fish-groups

Max Dauthendey - Die gelb` und roten Dahlien spiegeln sich

Bild

Bilder: Rose Böttcher

Die gelb’ und roten Dahlien spiegeln sich
Im flachen Wasser, das im Parkgrün glänzt;
Die Luft ist wie das Wasser unbewegt.

Die Seele allen Bäumen längst entwich,
Sie stehen nur noch unbewußt bekränzt;
Das Uferbild sich matt zum Spiegel legt.

Schwertlilienkraut fiel um, sein Grün verblich;
Und von metallnen Wolken eng begrenzt
Ein Stückchen Blau sich wie ein Auge regt,

Ein blauer Blick, der sich zum Wasser schlich.
Manch’ Wolke, wie ein Drache wild beschwänzt,
Mit grauem Leib den blauen Fleck durchfegt.

Und unter Wolken treffen Menschen Dich
Denen die Lieb’ den Sommer neu ergänzt,
Daß ihn kein Herbst aus ihrem Auge schlägt,
Denen das Leben dann wie nur ein Tag verstrich.

Max Dauthendey (1867-1918)

 

W.B. Yeats - Tread softly

Ich mag die leisen Sohlen meiner Schuhe. Das Klappern der Absätze mag ich nicht. Ich mag nicht das Knarzen der Stiefel. Ich will Spuren hinterlassen, keine Tritte.

»Had I the heavens’ embroidered cloths,
Enwrought with golden and silver light,
The blue and the dim and the dark cloths
Of night and light and the half light,
I would spread the cloths under your feet:
But I, being poor, have only my dreams;
I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.«
W.B. Yeats (1865–1939)