Allegria di naufragi (1917)
E subito riprende
il viaggio
come
dopo il naufragio
un superstite
lupo di mare
Freude der Schiffbrüche
Und plötzlich nimmst du
die Fahrt wieder auf
wie
nach dem Schiffbruch
ein überlebender
Seebär
Übertragen von Ingeborg Bachmann
Giuseppe Ungaretti (1888-1970), Salvatore Quasimodo und Eugenio Montale: Sie sind das Dreigestirn des italienischen Ermetismo, einer dunklen, hermetischen Lyrikströmung, vergleichbar mit Benn und Celan. Letzterer ist neben Ingeborg Bachmann und Hilde Domin einer derjenigen, die Ungaretti ins Deutsche übertrugen.
Minimalistisch, auch lautmalerisch, gespeist mit Metaphern und einer aus dem persönlichen Empfinden erwachsenen Symbolik, die sich dem Leser nur schwer erklären, ist seine Lyrik in der Übersetzung eine große Herausforderung.
Selten, dass wie bei dem frühen Gedicht zur „Freude der Schiffbrüche“ die Bedeutung so auf der Hand liegt. Erstaunlich aber zugleich, dass Ungaretti schon als junger Mann wohl vorausahnte, dass sein langes Leben alles andere als frei bleiben würde von Schiffbrüchen. Erfahrungen jedoch, die nicht zum Untergang führen, der Überlebenswille immer mit an Bord.
„Aber die großen Männer – was sind sie, man trifft sie sehr selten, (sie) sind sehr einfach, sie lachen wunderbar, sie sind streng, ohne es denen zu zeigen, die von Strenge nichts verstehen (aber ich hoffe, ich habe die seine verstanden), und sie sind nicht furchtbar, sondern sie sind etwas mitleidiger als die anderen, etwas großzügiger, etwas kindlicher, sehr viel reifer, und am Ende berührt sich die Weisheit mit der Kindlichkeit, mit der einmal die Götter, die es nicht mehr gibt, ihre Lieblinge zu sich geholt haben.“
Ingeborg Bachmann über Giuseppe Ungaretti
Ungaretti führte ein unstetes, wechselhaftes Leben. Seine zeitweise Annäherung und Unterstützung des italienischen Faschismus wirft zwar einen Schatten auf sein Gesamtwerk. Aber seine Poesie und die Anerkennung seiner schriftstellerischen Leistung bleiben von dieser dunkleren Periode seines Lebens beinahe unberührt.
Weiterführende Informationen, Quelle: Verlag Volk und Welt, Begleitzettel, 1977, bei www.planetlyrik.de:
“1888 in Alexandria als Sohn italienischer Einwanderer geboren, steht Giuseppe Ungaretti in seiner Kindheit unter dem Eindruck nordafrikanischer Landschaft: unbarmherzige Sonne, Wüste, Einsamkeit. Von 1912 bis 1914 setzt der junge Italiener die in Ägypten begonnenen Studien in Paris fort, er schließt Freundschaft mit den avantgardistischen Künstlern der Epoche – Apollinaire, Breton, Max Jacob, Picasso. 1915 wird er als Infanterist einberufen, verbringt die folgenden Jahre in den Schützengräben des norditalienischen Karsts. Die Daseinserfahrung dieser Zeit, seinen Aufschrei im Angesicht von Grauen und Tod hält der junge Dichter in einer Art poetischem Tagebuch fest. Nach dem Weltkrieg kehrt Ungaretti für kurze Zeit nach Paris zurück, läßt sich ab 1920 in Rom nieder, ist als Dolmetscher und Zeitungskorrespondent tätig. 1936 folgt er einem Ruf als Professor für italienische Literatur an die Universität São Paulo. 1942 kehrt er nach Rom zurück, hat bis 1958 den Lehrstuhl für zeitgenössische Literatur an der dortigen Universität inne. Dieses Leben in den äußeren Bahnen bürgerlicher Normalität ist stets begleitet von einer hartnäckigen Suche nach der eigenen Identität. Wenige schmale Gedichtbände legen Zeugnis ab von diesem Bemühen: Freude der Schiffbrüche (1919), Der begrabene Hafen (1923), Die Freude (1931), Gefühl der Zeit (1936), Der Schmerz (1947), Das verheißene Land (1950), Das Merkbuch des Alten (1960), Dialog (1968). 1969, ein Jahr bevor Ungaretti in Mailand stirbt, erscheint die erste Ausgabe sämtlicher Gedichte. Ihr Titel ist poetische Konfession: Vita d’un uomo - Leben eines Menschen.”
Il porto sepolto (1916)
Vi arriva il poeta
e poi torna alla luce con i suoi canti
e li disperde
Di questa poesia
mi resta
quel nulla
di inesauribile segreto.
Der begrabene Hafen
Dort kommt der Dichter an
und wendet sich dann zum Licht mit
seinen Gesängen
und er verstreut sie
Von diesem Gedicht
bleibt mir
jenes Nichts
von unerschöpflichem Geheimnis.
Die Übertragungen in die deutsche Sprache durch Ingeborg Bachmann und Paul Celan erschienen im Suhrkamp Verlag: