#VerschämteLektüren (21): Jutta Reichelt und der verdammt gute Roman

3499624913_2e6e6aa98aVor etwa 25 Jahren wurde ich einmal von einer Muse geküßt. Am nächsten Morgen schrieb ich den ersten Satz meines immer noch unvollendeten Romans. Offenbar war jedoch ein Kuss nicht genug - bei dem einen Satz sollte es fortan bleiben. Wie das so ist mit den Musenküssen. Ob Schreiben-Können auch mit dem Viel-Schreiben kommt, was Übung ist, was Routine, wieviel Talent wiegt und wieviel Zu- und Selbstvertrauen, Handwerk und Übung ausmachen - darüber macht sich die Schriftstellerin Jutta Reichelt auf ihrem Blog “Über das Schreiben von Geschichten” viele Gedanken. Man kann dabei mitlesen, davon lernen und zwischendurch sogar mitspielen - beispielsweise, wenn Christoph einfach verschwindet.
Und das führt zu ihrer “verschämten Lektüre”: Denn selbst Schriftstellerinnen träumen anfangs noch ein wenig vom “Musenkuss”, wenn er in Form eines verkappten Sachbuches daherkommt…

Jutta Reichelt bringt so einen ganz neuen Aspekt in die #VerschämteLektüren. Und wie das so ist mit den verdammt guten Romanen, das kann man dann im Frühjahr 2015 sehen: Da erscheint ihr neuer Roman beim Verlag Klöpfer & Meyer, den ich wegen seines ambitionierten Programms und seiner schön gemachten Bücher sehr schätze. Zur Verlagsvorschau mit Einblick in “Wiederholte Verdächtigungen” geht es hier: http://www.book2look.com/book/HdJvCpFdt2

Jetzt aber Jutta und der Roman vom Musenkuss:

“Ich habe mich entschlossen (nach mehreren schlaflosen Nächten), diese Möglichkeit der #VerschämteLektüren für eine Offenbarung zu nutzen, die geeignet ist, meinen halbwegs guten Ruf als literarische Autorin zu ruinieren.

Ich muss dazu etwas ausholen: Als ich zu schreiben begann, wusste ich nicht, wie ich was schreiben wollte, aber ich wusste, dass die Autorinnen und Autoren, die ich schätzte und die meinen inneren Referenzrahmen bestimmten (hätte ich damals nicht so sagen können) „literarische“ Autoren waren.

Ich wusste nicht, wie und was sich schreibend lernen lässt und ob es dafür Regeln gibt. Ich wusste auch nicht, warum die Texte, die ich schrieb, mir nicht gefielen. Jedenfalls nicht so richtig. Ich versuchte, genauer darauf zu achten, wie „andere“ schrieben – und vergaß diese Frage aber über der Lektüre immer wieder sofort.

Trotzdem schrieb ich weiter. Ich hatte das Gefühl, das sich etwas an meinem Schreiben in die richtige Richtung entwickelte, ohne dass ich hätte sagen können, was es war. Ab und zu gab ich, was ich schrieb, meinem Bruder, der mir mit großer Geduld erzählte, was er in meinen Texten las – und wie sie vielleicht gewinnen könnten. Nannte auch AutorInnen, die mir vielleicht gefallen könnten. So ging viel Zeit dahin.

Schön wäre es gewesen, wenn es einfacher gewesen wäre. Und dann las ich diesen Titel (Trommelwirbel!): „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“ von James N. Frey!

Ich habe das Buch gelesen. Ich habe es sogar verschlungen. Es ist lange her, aber es war so! Ich habe für zwei bis vier Monate gedacht, ich wäre gerettet. Meine Texte wären gerettet. Ich habe gedacht, dass alles viel einfacher ist, als ich je für möglich gehalten hätte. Eine Prämisse! Alles, was mir fehlte, war eine Prämisse! Und: „Konflikt! Konflikt! Konflikt!“

Leider ist es dann alles doch komplizierter und einfacher zugleich und mittlerweile weiß ich, dass Schreibratgeber wie Medizin sind: Sie können wirkungslos sein, hilfreich – oder schädlich. Wir wissen meist, wie ein Text sein sollte, wir wissen nicht, was mit unserem Text nicht stimmt. Wir halten unsere Texte ja für spannend oder komisch oder unglaublich berührend und irren uns nicht über „die Regeln“, sondern über unseren konkreten Text. Das ist das Problem …

Mittlerweile weiß ich auch, dass „Schreibratgeber“ und noch dazu solche mit einem derart marktschreierischen Titel für manche Autorinnen „eigentlich“ in die zweite Reihe gehören – und weil ich immer noch viel zu viele Bücher besitze, sind sie da auch gelandet. In ehrenwerter Gesellschaft …”

Hier geht es zum Blog der Autorin: http://juttareichelt.com/

Und auch beim Literaturhaus Bremen kann man sie finden: http://www.literaturhaus-bremen.de/autor/jutta-reichelt

Dies ist jetzt der vorläfufig letzte Beitrag zu den #VerschämtenLektüren, den ich auf Vorrat habe. Offenbar befinden sich etliche noch ein wenig im Winterschlaf…Allen Leserinnen und Lesern, Bloggerinnen und Bloggern der Hinweis: Wer Lust hat, über die Lieblingsbücher zu plaudern, die man jedoch im Literaturzirkel nicht unbedingt vorschlägt - hier gibt es die Möglichkeit dazu. Wie man mitmachen kann, steht unter anderen in den Spielregeln: http://saetzeundschaetze.com/2014/11/21/verschamte-lekturen-spiel-und-spasregeln/

TRIO 27: Is it a man`s world? James Salter, John Williams & Wallace Stegner.

Ausschnitt aus “Vertreibung aus dem Paradies”, Masaccio

„Als William Stoner sehr jung war, hatte er die Liebe für einen vollkommenen Seinszustand gehalten, zu dem Zugang fand, wer Glück hatte. Als er erwachsen wurde, sagte er sich, die Liebe sei der Himmel einer falschen Religion, dem man mit belustigter Ungläubigkeit, vage vertrauter Verachtung und verlegener Sehnsucht entgegen sehen sollte. Nun begann er zu begreifen, dass die Liebe weder Gnade noch Illusion war; vielmehr hielt er sie für einen Akt der Menschwerdung, einen Zustand, den wir erschaffen und dem wir uns anpassen von Tag zu Tag, von Augenblick zu Augenblick durch Willenskraft, Klugheit und Herzensgüte.“

John Williams, „Stoner“

Bilanz ziehen – das liegt am Ende eines Jahres immer nahe. Immerhin: Nur ein kurzer Zeitraum von zwölf Monaten, den es zu überblicken gilt. Das hat auch etwas Tröstliches. Wird es besser, wird es schlimmer? In überschaubaren 365 Tagen gemessen, wiegt manches vielleicht weniger schwer, bleibt der Blick nach vorn. Die Hoffnung stirbt zuletzt: Nächstes Jahr, da wird alles besser gemacht. Und die Aufgabe: Den Glanz der erlebten Freuden aufzupolieren, mitzunehmen in das neue Jahr.

Wie aber, wenn es gilt, ein ganzes Leben in der Summe zu sehen? Was ist, was bleibt, war es gut? Drei amerikanische Romanciers haben sich dieses zum Thema gemacht – bilanzierende Werke, sprachlich brillant und mit einem großen Schuss Melancholie ausgestattet. Und noch eine Parallele: Alle drei Romane handeln von Männern, deren Berufung weniger das Leben, sondern die Sprache ist – das Schreiben, das Lehren, das Lektorieren. Bei zweien möchte man am Ende sagen: Wenigstens hatten sie dies, hatten sie schon die Liebe nicht.

james_salterJames Salter – dezente Lakonie

„Irgendwann wird einem klar, dass alles ein Traum ist und nur geschriebene Dinge die Möglichkeit haben, wirklich zu sein.“ Bezeichnend, was James Salter (Jahrgang 1925) seinem Roman „Alles, was ist“ als Motto voranstellt. Die ersten zehn Seiten des Buches branden an wie eine Bugwelle: Der Leser wird wie der junge Philip Bowman hineingerissen in eine Schlacht im Zweiten Weltkrieg im Pazifik. Alles, was folgt – die erste Liebe, das Werben, die Heirat, die Scheidung, der Aufstieg in einem Verlag, Reisen, weitere Geliebte, weitere Trennungen, Freundschaften, Todesfälle, Verluste – nimmt weit weniger Raum ein. Jede Begegnung mit einer Frau zunächst voller Emotion, Bowman spricht schnell von Liebe – aber mehr und mehr perlen Trennungen von ihm ab, scheinen Enttäuschungen und Verluste keine Risse zu hinterlassen. Das Leben läuft so vor sich hin – oder ihm davon, je nach Perspektive. Und am Ende war es das. Und man bedauert diesen Mann, der doch mit allen Möglichkeiten ausgestattet war: Tja, wenn das nun alles war.

Salter erzählt von einem Leben, das von außen glamourös erscheint, voller Ereignisse, in einem lakonischen, beiläufigen, manchmal dezent zynischen Stil, der auch an John Cheever erinnert. Doch trotz des angefüllten Lebens – es ist am Ende leer. Weil: „Alles, was ist“ ist wenig, wenn man auf Distanz zum Leben bleibt – zum Leben, zu den Lieben, zu den Freunden. Bowman, der eigentlich abwesende Antiheld.

Eine ausführliche Besprechung des Buches und ein Portrait des Autoren findet sich bei Buzzaldrins Bücher:
http://buzzaldrins.de/2013/09/18/alles-was-ist-james-salter/

John Williams – stille Agonie

„Er hatte jene Phase in seinem Leben erreicht, in der sich ihm mit wachsender Dringlichkeit eine Frage von solch überwältigender Einfachheit stellte, dass er nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte. Er begann sich nämlich zu fragen, ob sein Leben lebenswert sei, ob es das je gewesen war (…). Er fand ein ebenso grimmiges wie ironisches Vergnügen an der Möglichkeit, ihn habe jenes bisschen Bildung, das er sich erworben haben mochte, zu folgender Einsicht geführt: Letzten Endes war alles, selbst das Studium, das ihm dieses Wissen ermöglichte, sinnlos und vergeblich und gerann zu einem unabänderlichen Nichts.“ Stoner ist der vollkommene Gegenpart zu Salters Bowman: Ein stiller Mann, der, aus ärmlichen Verhältnissen kommend die Liebe zur Literatur entdeckt, sich ein Leben an der Universität erwählt und geradezu erkämpft, der weder so scheinbar abgeklärt noch zynisch ist wie Salters Held und sich beinahe naiv, still und „unschuldig“ den Verhältnissen in die Hand gibt. Steht Bowman für Eleganz und Glamour, viel Oberfläche, steht Stoner für Arbeit und Dienen, und das in der zweiten Reihe. Aber er ist einer, der irgendwie mit zäher Kraft überlebt – auch gegen die Umstände: Eine gescheiterte, lieblose Ehe, die geliebte Tochter verfällt dem Alkohol, er selbst wird an der Universität angefeindet und in seiner Berufung beschnitten. Und dennoch behält Stoner Liebe, Mitgefühl, Verständnis und vor allem auch seine Würde. Nur einmal ist ihm im Leben das reinste Glück mit einer Frau vergönnt – aber auch dies muss scheitern, die Verhältnisse, sie sind nicht so. Ein stiller Held, mit dem man mitleidet und mitlebt – bis zum Ende: „Die Finger lockerten den Griff, und das Buch, das sie gehalten hatten, rutschte langsam und dann immer rascher über den reglosen Leib und fiel in die Stille des Zimmers.“
Der Roman „Stoner“ erschien 1965 und blieb ohne große Resonanz. Dass er nun wiederentdeckt wurde, ist eines der kleinen Wunder der Literatur. Stoner, für mich einer der traurigen Helden - ein Mann der Hingabe und der Hinnahme, einer, der sich in Würde in sein Schicksal begibt.

Eine schöne Besprechung gibt es bei brasch & buch:
http://thomasbrasch.wordpress.com/2014/10/27/stoner-der-liebenswurdige-purist/

stegnerWallace Stegner – gelassene Melancholie

„Ich stelle mir vor, sie wäre im Kindbett gestorben, unter den Händen jenes Arztes, bei dessen Erinnerung mich heute noch die Wut befällt und dessen Namen ich wohlweislich vergessen habe. Ich hätte diesen Kreißsaal als ein Nichts verlassen, vernichtet durch das blutige Etwas, das auf dem OP-Tisch blieb, aber ich hätte sie überlebt. Ich hätte weitergelebt und wahrscheinlich weitergeschrieben, denn das Schreiben war neben Sally das Einzige, was meinem Leben Sinn und Halt gab.“ In „Zeit der Geborgenheit“ erzählt Wallace Stegner ganz unaufgeregt und gelassen von zwei Ehepaaren, die über Jahrzehnte hinweg miteinander eng verbunden sind. Larry, der Erzähler aus der Ich-Perspektive, hat viel mit „Stoner“ gemeinsam: Er erarbeitet sich den Weg an die Universität, er kommt aus „kleinen“ Verhältnissen, er erobert sich die Literatur. Doch anders als „Stoner“ begegnet ihm das Glück – mit Sally, der Frau, mit der er sein Leben lang zusammenbleiben wird. Als Spiegel dient den Beiden das Ehepaar Sid und Charity – privilegiert, begütert, aber weniger in Liebe denn in Reibung aneinander gekettet. Als Charity im Sterben liegt, zieht der Erzähler auch seine Bilanz: Abgeklärt, weise und voller Dankbarkeit für das Glück, dem einen Menschen zu begegnen, der sein Leben zusammenhielt.

Wallace Stegner (1909-1993), unterrichtete unter anderem in Stanford, erhielt für seine Bücher den Pulitzer-Preis und den National Book Award und ist dennoch im deutschsprachigen Raum noch einer der weniger Bekannten der modernen amerikanischen Klassiker. Schade – ich schätze seinen ruhigen, gelassen Erzählstil sehr.

Einige seiner Bücher sind mittlerweile beim Deutschen Taschenbuch Verlag erschienen:
http://www.dtv.de/buecher/zeit_der_geborgenheit_14098.html

Drei Romane, drei Leben, drei Bilanzen:

Jedes Buch für sich kann ich wärmstens empfehlen. Jedes bietet einen Anstoß dazu, nachzudenken, was das Leben alles ist. Was uns zufrieden macht, was uns streben lässt, was gut ist, was wichtig ist.
Für mich war jedoch nach James Salter und John Williams die Lektüre von Wallace Stegner der perfekte, tröstliche Abschluss. Denn woran Salters Held scheitert und was „Stoner“ nicht vergönnt ist, das zumindest erfährt der Erzähler in Wallace Stegners Roman: „…einen Zustand, den wir erschaffen und dem wir uns anpassen von Tag zu Tag, von Augenblick zu Augenblick durch Willenskraft, Klugheit und Herzensgüte“,

because:
This is a man’s world
But it wouldn’t be nothing, nothing without a woman or a girl
He’s lost in the world of man
He’s lost in bitterness

(James Brown)

Thomas Bernhard für Boshafte (2014).

“Die Katastrophe fängt damit an, dass man aus dem Bett steigt.”

Thomas Bernhard, “Verstörung”.

Dass Thomas Bernhard kein kleiner Sonnenschein war, soviel ist sicher.
Aber sicher auch ein Schlitzohr - die Mordslustigkeit gewiss ein wenig Attitüde angesichts sich seriös gebender Reporterinnen. Denn:

“Schriftsteller sind Übertreibungsspezialisten.”

Gut, dass der Leser Thomas Bernhard als Mordsersatz und Übertreibungsspezialisten hat - denn boshaft sind wir alle mal, Boshaftigkeit ist gut für die Seelenhygiene und noch besser ist es, wenn einer den Job übernimmt, der das so richtig gut kann.

Raimund Fellinger hat für das insel Taschenbuch “Thomas Bernhard für Boshafte” einige der schönsten Bösartigkeiten des Österreichers zusammengestellt.

Aus dem Verlagstext:

“In einem Interview antwortete Thomas Bernhard auf die Frage »Sind Sie gerne böse?« mit Ja. Aber häufig könne er nicht so böse sein, wie er wirklich wolle. Dabei besteht er auf feinen Unterscheidungen: Bösartig dürfe man sein, da dies ja ein Aspekt der menschlichen Art sei, böswillig, also das Böse als Ziel verfolgend, sei nicht statthaft. Boshafte Personen dagegen seien, wenn sie ihr Anliegen geschickt genug betrieben, Künstlern gleichzusetzen. Der vorliegende Band versammelt, einem alltäglichen Alltag folgend, vom Frühstück über die philosophischen Mittagessen bis zu den entsetzlichen Abendvergnügungen, Beispielstücke für die Boshaftigkeitskunst des Thomas Bernhard.”

Das Buch, erschienen im Januar 2014, ist mir seither ein treuer Begleiter durch den Arbeitsalltag.
insel taschenbuch 4153, Broschur, 73 Seiten, ISBN: 978-3-458-35853-4, 6,00 Euro.

Treibt keinen Unfug! Nicht mit der Sprache!

Bild

BILD: ROSE BÖTTCHER

Immer, wenn wir Kinder eine halsbrecherische Aktion durchführten, ermahnte uns die Großmutter „Treibt keinen Unfug!“. Das war mitunter lästig.

Heute vermisse ich die großmütterlichen Ermahnungen. Unfug treiben – das hat trotz des gestrengen Untertones so etwas Warmes, Zärtliches, Zugewandtes. Heute rufen die Mamas am Sandkasten ihren Kevins und Jacquelines zu: „Bau keinen Scheiß, du Göre!“. Kein Vergleich.

Meine Großmutter war eine Kaltmamsell. Mit ihr starb nicht nur dieser Berufsstand, sondern auch so manches Wort. Ein Gabelfrühstück hätte es bei ihr vielleicht noch gegeben, aber niemals einen Brunch. Das waren für sie Fisimatenten.

Als echte Fischbein-Korsettträgerin mit Atombusen war sie gegen jegliches Bratkartoffelverhältnis, wilde Ehen oder ähnlichen Firlefanz. Sie hätte dazu ihren Gesichtserker gerümpft, die Betonfrisur noch weiter geglättet, die Protagonisten indigniert inspiziert und gesagt: „Macht keinen Unfug!“

Wie eine Hetäre und Haubitze wäre sie gegen alles vorgegangen, was sie nur im Geringsten hätte inkommodieren können: Vorehelicher Unfug, Larifari, Humbug, ihre heilige Wort-Trias.

Diese pfundige Matrone sonderte niemals Mumpitz ab. Mit manchem Pomadenkopf und Eintänzer lieferte sie sich wortgewaltige Scharmützel. Und wäre mein Vater kein rechter Schlingel und Schlawiner gewesen, der die Fregatte umschiffte, so hätte meine Mutter als Blaustrumpf ihr Ende gefunden. Und ich hätte diesen Text nie schreiben können, da es mich schlicht und einfach nicht gegeben hätte. Das Sieben-Monat-Kind-der-Schande-Unfug.

Wer jetzt meint, der ganze Text ist der reine Unfug, dem gebe ich gerne recht. Aber man beachte: Er ist mit Wörtern geschrieben, die sterben. Ja, es gibt sie, die vom Aussterben bedrohten Wörter, die auf der Roten Liste stehen. Jahr für Jahr begräbt der Duden weitere (zum Beispiel den Füssilier) und kein Aufschrei geht durchs Land. Auch mit Unfug wird bald Schluss sein.

Wenn da nicht dieser heroische Mann wäre: Bodo Mrozek.

Er sammelt die bedrohten Worte, hegt und pflegt sie und bewahrt sie vor dem Aussterben. Ihr Naturschutzgebiet befindet sich angemessen zwischen Buchdeckeln: „Im Lexikon der bedrohten Wörter“ und im „Lexikon der bedrohten Wörter 2“ (erschienen bei rororo). Man sollte Bodo Mrozek dafür einen Preis geben, mindestens den Bundeswortverdienstorden.

Und jeder von uns kann helfen. Mit einem Wort. Eine Wortpatenschaft übernehmen. Wer Wörter retten will, der melde bedroht erscheinende Worte an Herrn Mrozek: http://www.bedrohte-woerter.de/

Denn man kann zwar mit allem Unfug treiben, mit der Sprache jedoch bitte nicht.