Bummeleien (1): Friedberg
Ich brauchte eine Goethe-Pause. Raus aus der Stadt, Augsburg und Weimar gedanklich hinter mir lassend. Einfach mal bummeln, ohne literarischen Anspruch und Zweck. Nur gucken und genießen. Der Bummelort meiner Wahl: Friedberg, einen Katzensprung von Augsburg entfernt, aber doch schon viel bayerischer als die Fuggerstadt.
Schön ist es da, an einem sonnigen Nachmittag. Alles drängt sich um die Eisdiele am Marienplatz. Die Caféhausstühle im Freien liegen unter Kastanien im Schatten der Kirche. Fast kommen italienische Gefühle auf: Die Altbaiern bauten sich, als der Kirchturm des vorherigen Gebäudes eingestürzt war, eine neoromanische Kirche mitten in die Stadt - außen baugleich mit San Zeno in Verona, innen mit San Apollinare in Classe in Ravenna. Drinnen aber hallt es schwäbisch-bayrisch: Eine Gruppe von Kindern und Erwachsenen ist da zusammen, die Atmosphäre ist locker, gar nicht sakral, der Innenraum mit modernen Kunstinstallationen geschmückt.
Draußen durchstreifen nur wenige Touristen die alten Gässchen, klackediklack tönt es auf dem Kopfsteinpflaster. Eine alte Frau streckt neugierig ihren Kopf über die Hecke - „Was wollen die hier?“ steht ihr ins Gesicht geschrieben. Eine andere freut sich über eine Gesprächsgelegenheit. Erklärt, dass das Schloss mit der Uhrenausstellung saniert wird, meint, man könne ja auch nach Unterwittelsbach gehen, „da zeigen sie in der Sisi ihrem Schl0ß der ihre Unterwäsche“, und präsentiert uns dann noch stolz ihren Bauerngarten.
Auf das Sisi-Schloß und ihre Unterwäsche verzichten wir für dieses Mal, genießen lieber die Sonne und die frischen Kuchenstücke, lassen die Seele baumeln und bedienen uns am noch recht neuen öffentlichen Bücherschrank. Dann zumindest noch ein Gang durch die Uhrmachergasse - die Uhrmacher machten Friedberg ab Mitte des 16. Jahrhunderts zu einer weithin bekannten Größe. Über 350 Uhrmacher sind namentlich bekannt - dass Handwerk goldenen Boden hatte, sieht man dem Städtchen an: Das barocke Rathaus, der Marienplatz, die Handwerkshäuser in der kleinen Altstadt zeugen von einem gewissen Bürgerstolz, der sich in diesen Jahrhunderten entwickelte. Barock, Rokoko und Renaissance prägen das Stadtbild - aber über allem ragt der Kirchturm von St. Jakob in seinem klaren und doch so originellen Stil.
Wer mehr über das 750 Jahre alte Städtchen wissen will, wird hier fündig: Friedberg.
Schöner Bericht, klasse Fotos! Die (1) sieht ja nach Beginn einer neuen Serie aus. Ich bin gespannt, wohin Dich Deine nächste Bummelei führt.
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Das freut mich, Ingrid - aber beim Fotografieren verfahre ich nach dem Null-Ahnung-von-Technik-einfach-draufhalten-und-hoffen-dass-was-rauskommt-Methode. Doch heuer steht noch ein Fotokurs an…dann aber! Ja, und nachdem es mich derzeit mehr zum Bummeln als zum Lesen treibt, folgen vielleicht (oder sicher) noch ein paar Orte…mal sehen, wen von Euch ich nach Bayern locken kann
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Da steht uns na noch was bevor, wenn Du den Fotokurs erst mal absolviert hast
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Herrlich, was im Süden so alles der Entdeckung und Besichtigung harrt: Zu der Glückskatze in Nördlingen kommen nun auch noch der Sisi ihre Unterbuxen auf die Liste.😉 Fröhliche Grüße von Bummelantin zu Bummelantin!
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Da finden sich sicher noch ein paar Argumente, damit Du mal durch den Süden bummelst Die Unterbuxen werden aber leider nicht ständig gezeigt, das ist eine Sonderausstellung. Aber ich überlege mir, was es sonst noch für Verlockungen gäbe, um eine Maren-Erscheinung hier herbeizuführen
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Der Sisi ihre Unterwäsche? Und ich dachte, die Bayern seien gottesfürchtig und prüde! So kann man sich täuschen. Danke für die aufschlussreiche Bummelei, liebe Birgit.
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Liebe Peggys, manche Bayernklischees treffen durchaus zu, dann aber auch wieder nicht Meine These ist eh, dass der Katholizismus und der warme Süden dazu führen, dass die Menschen hier sinnlicher sind. Prüderie kann ich jedenfalls als Massenerscheinung nicht feststellen
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