Ein Zwischenfazit des Sommergesprächs, das wir (Wolfgang Schnier, Matthias Engels und ich) gestern hier veröffentlicht haben, könnte nach den Kommentaren wohl lauten: DEN einen Kanon gibt es nicht – aber solche Überblicke über wichtige Werke der Literatur können eine gute Orientierungshilfe sein.
Im Grunde erlesen sich passionierte Leser ihren eigenen, persönlichen Kanon. Daher kurz und knapp eine neugierige Frage in die Runde: Welche Bücher stehen auf eurem persönlichen Literaturkanon? Welche Werke sind Euch besonders wichtig?
Bild zum Download: Klosterbibliothek Wiblingen
Was für eine schwierige Frage! Nach längerem Nachdenken würden mir da wohl – abseits der „Klassiker“ – eine ganze Menge Bücher einfallen, die da drin stehen. Müsste ich mich auf wenige beschränken, wären das wohl u.a.
„Perlmanns Schweigen“ von Pascal Mercier
„Das Schweigen des Sammlers“ von Jaume Cabré
„Das größere Wunder“ von Thomas Glavinic
„Der Schatten des Windes“ von Carlos Ruiz Zafón
„Der Wolkenatlas“ sowie alles andere von David Mitchell
„Veronika beschließt zu sterben“ von Paulo Coelho
„Das Parfüm“ von Patrick Süßkind
usw. usf.
Natürlich gehört auch „Die Leiden des jungen Werther“ dazu! Ich lese es immer wieder gerne – ganz ohne Stirnrunzeln! 😉
Ich würde prinzipiell nichts auf einen Kanon setzen, das jünger ist als mindestens ein halbes Jahrhundert; erst die Prüfung der Zeit macht ein Werk kanonfähig. Ich möchte in dem Zusammenhang auch einen Unterschied machen zwischen der Qualität eines literarischen Werks und seiner Kanonwürdigkeit. Natürlich gehhören in einen Kanon nur hervorragende Werke; aber nicht jedes hervorragende Werk ist kanonfähig. Denn dazu gehört eben auch eine gewisse Verbreitung, eine breite Rezeption, eine Wirkung auf die literarische Nachwelt — eine Verwurzelung, möchte ich es nennen, in der Literaturgeschichte, die in ein paar Jahrzehnten nicht erreicht, und im Rückblick von ein paar Jahrzehnten auch gar nicht beurteilt werden kann. Ein Werk etwa, das völlig alleine dasteht und keinen Autor je beeinflußt hat, gehört nach meinem Dafürhalten nicht in einen Kanon, und sei es sonst noch so gut.
Kanon gibt es keine nur eine lange Liste gelesener Bücher
Friedrich Nietzsche: Sämtliche Werke
Thomas Mann: Der Zauberberg
Miguel de Cervantes Saavedra: Don Quixote
Mary Shelley: Frankenstein
Charles Dickens: Bleak House
Jonathan Swift: Gulliver´s Travels
Herman Melville: Moby Dick/Bartleby
Laurence Sterne: Tristram Shandy
George Eliot: Middlemarch
Jean-Paul Sartre: Die Wege der Freiheit/Die Wörter
Elias Canetti: Die Blendung
Edgar Allan Poe: The Raven
Fjodor Dostojewskij: Der Idiot
Vladimir Nabokov: Lolita
Franz Kafka: Die Verwandlung
Michel Foucault: Überwachen und Strafen/Wahnsinn und Gesellschaft
Hans Blumenberg: Die Lesbarkeit der Welt
Carl Friedrich v. Weizsäcker: Der Garten des Menschlichen
J. R. R. Tolkien: Herr der Ringe
Siri Hustvedt: Was ich liebte
Helge Schneider: Bonbon aus Wurst
Das sind die Bücher, die mir auf Anhieb einfallen, wenn es darum geht, darüber nachzudenken, welche Werke mich nachdrücklich beeindruckt oder gar beeinflusst haben. Die Liste ließe sich durch weiteres Nachdenken natürlich noch erheblich erweitern…
Ich glaube, der persönliche Kanon ist eine Lesebiographie und wie das Leben selbst. Man hat nur bedingt Einfluss darauf. Irgendwann fängt es an, und eins ergibt sich aus dem anderen, dem Vorherigen, das Einfluss genommen hat.
* Die Erzählungen von Marie-Luise Kaschnitz, allen voran: Das dicke Kind
* Marlen Haushofer: Die Wand
* Adrundhati Roy: Der Gott der kleinen Dinge
Ab da fächert es sich auf, und die Auswahl wird schwerer. Aber vermutlich gehören noch dazu:
* Siri Hustvedt: Die gleißende Welt
* Die Erzählungen von Alice Munroe (die ich erst jetzt zu entdecken beginne), z. B. der Band „Zu viel Glück“
https://finbarsgift.wordpress.com/2014/02/24/lieblingsbucher/
Vor Monaten noch hätte ich hier unter anderem den „Zauberberg“ von Thomas Mann genannt. Aber, Thomas Mann hatte die Tuberkulose nie im Leib! Und so rutschte ein Meisterwerk der Weltliteratur nach dem anderen in Richtung eines religiösen Schaffens, welches mit einem unerreichbaren Soll einwirkt auf das Ist. Und ich bin verzweifelt darüber, dass der Buchmarkt giert nach solch literarischen Glaubensbekenntnissen.
Mein Kanon dagegen orientiert sich an der entsetzlichen Realiät, wo in dunkelster Stunde eben kein Lichtlein zur Türe hereinspaziert:
Joan Didion: „Das Jahr magischen Denkens.“
Joan Didion: „Blaue Nächte.“
Wolfgang Herrndorf: „Arbeit und Struktur.“
Christoph Schlingensief: „So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein.“
Reiner Stach: „Kafka, die Jahre der Erkenntnis.“
Roger Willemsen: „Der Knacks.“
Karl Ove Knausgard: „Sterben.“
Irvin D. Yalom: „In die Sonne schauen.“
Tilman Jens: „Demenz.“
Kathrin Weßling: „Drüberleben.“
Ernst Jünger: „In Stahlgewittern.“
Einen „persönlichen Kanon“ kann es gar nicht geben, das ist ein schwarzer Schimmel. Ein Kanon ist eine für alle verbindliche Liste, sonst ist es keiner. Ein Kanon ist auch keine Bestenliste und schon gar keine Liste von Lieblingsbüchern. Zum Kanon gehört auch immer die Begründung, warum gerade diese Auswahl von Werken, bzw, warum so viele andere Werke nicht auf die Liste gehören.
Liebe Birgit,
ich würde als Kanon etwas bezeichnen, was Bestand hat und noch in 100 Jahren genauso intensiv gelesen wird wie heute. Deshalb glaube ich nicht, dass wir den Kanon unseres Jahrzehnts jetzt bestimmen können. Es fehlt uns die Objektivität dazu, die vielleicht im Kontext der Geschichte und Soziologie der Gesellschaft in 100 Jahren bestimmbar ist. Wenn so etwas wie Objektivität überhaupt erreichbar ist.
Welche Bücher ich mag, wenn ich meine „Lieblingsfachbücher“ ausschliesse?
Die Duras oder Flaubert lese ich gerne aber mehr an Literatur fällt mir gerade nicht ein 😉 und die beiden befinden sich nicht in unserem Jahrhundert. Annette Pehnt ist eine meiner Favoritinnen oder Hertha Müller. Ich werde die Frage im Kopf behalten.
Liebe Grüße nach Augsburg sendet dir Susanne
Ich liebe Listen ja heiß und innig und bastel dir gerne eine Liste meiner 100 Lieblingsbücher zusammen (fordere mich nicht heraus 😉 ) aber Lesekanon also mit Tendenz zu was eigentlich alle lesen sollten/müssten, määäh da kommt so der Rulebreaker in mir durch und mag das nich, glaube ich *es noch ein bisserl marinieren lässt*
oh und noch eine Anmerkungen zu eurem Interview. Interessanterweise hat mich der Faust so viel mehr begeistert als der Zauberberg, ich überlege jetzt mal warum wohl.
Mmm, ja, ich denke, so ein persönlicher Kanon oder literarischer Leitfaden ändert sich alle paar – vielleicht 10 – Jahre wieder. Am Ende des Lebens könnte man dann sehen, welche Bücher einen am längsten begleitet haben, welche vielleicht den entscheidendsten Einfluss hatten, welche schnell und welche allmählich verschwunden – oder vielleicht auch nach einer Weile wieder aufgetaucht sind.
James Joyce‘ „Ulysses“ war für mich eine Offenbarung, „Kein Ort. Nirgends“ von Christa Wolf ist dagegen ein Dauerbrenner. Kleist „Der zerbrochene Krug“ war ein ebensolcher Knaller wie Joyce (ich hielt die Geschichte für bieder und langweilig, haha), Esther Kinskys „Am Fluss“ eine unspektakuläre, aber nachhaltige Leseerfahrung. Für persönliche Kanonbücher gilt übrigens, dass ich sie immer wieder lese. Wolfgang Herrndorf „Arbeit und Struktur“, Andy Warhol, „From A to B and back again“, Colette „Mitsou“, alles von Truman Capote, Marguerite Duras „Der Liebhaber“, Peter Handke „Wunschloses Unglück“, Yoko Ogawa „Der Ringfinger“, Homer „Die Odyssee“ (auch so eine Lebensüberraschung), Amos Oz „Sumchi“, die Rico-und-Oscar-Trilogie von Andreas Steinhöffl, Choderlos de Laclos „Gefährliche Liebschaften“, Stefan Schütz „unser Leben“ (gerade neu dazu gekommen). Das ist der augenblickliche Stand, wobei jetzt sicher auch noch einige Lieblinge fehlen. Und was überhaupt noch alles fehlt! Wie auch beim Reisen, bin ich kaum über Europa hinaus gekommen. Aber eben. Es bleibt ja noch etwas Zeit…
Goethe: Faust
Mann: Zauberberg
Dostojewski: Schuld und Sühne
Pessoa: Buch der Unruhe
Canetti: Die Blendung
Dickens: Große Erwartungen
Hesse: Siddharta
Nabokov: Lolita
Kafka: Der Prozess
Hamsun: Hunger
Tolstoi: Anna Karenina
Woolf: Orlando
etc.pp
Da mache ich gern mit, denn die besten Literaturempfehlungen habe ich in solchen Listen gefunden:
John Crowley – Little Big
Dorothy Strachey – Olivia
A. S. Byatt – Besessen
Virginia Woolf – Mrs Dalloway
Edith Wharton – Zeit der Unschuld
Emily Bronte – Jane Eyre
Rosamond Lehman – Dunkle Antwort
Rebecca West – Die Rückkehr
J. Sheridan Le Fanu – Carmilla
John Irving – Gottes Werk und Teufels Beitrag
Violette Ledic – Therese und Isabelle
Sarah Waters – Solange du lügst
Richard Lorenz – Amerika-Plakate
Arthur Machen – Die weißen Gestalten
Nur ein Buch pro Autorin/Autor
Frisch zurück aus dem Urlaub wird gleich so eine Frage gestellt, die man allgemeingültig gar nicht beamtworten kann, da jeder persönlich, wie man ja bei den vorherigen Antworten sieht, einen eigenen Anspruch an seine Lektüre hat.
Meinen eigenen Kanon mache ich daran fest, wie mich ein Buch gefesselt hat und ob es mich auch nach dem Lesen beschäftigt. Wenn es dann Monate oder Jahre sind, die ein Buch mit seinen Details haften bleibt, dann darf es in diesen persönlichen Kanon eingehen, der aber immer wieder erweitert werden darf. Aktuell sieht er so aus:
Goethe – Faust
Grass – Die Blechtrommel
Forsythe – Des Teufels Alternative
Stephen King – The Stand
Stephen King – Der dunkle Turm
David Mitchell – Der Wolkenatlas
Ernest Hemingway – Wem die Stunde schlägt
Remarque – Im Westen nichts Neues
Josef Haslinger – Opernball
Tolkien – Der Herr der Ringe
Tolkien – Der Hobbit
Uwe Tellkamp – Der Turm
Richard Lorenz – Amerika-Plakate
Schätzing – Der Schwarm
Erich Kästner – Emil und die Detektive
Liebe Grüße
Marc