Berliner Bloggertour: Anders müde als Ringelnatz

Müde in Berlin

Wenn die Gedanken sich zerstreut
Aus dir entfernen,
So, daß kein schönes Bein dich freut,
Und eine trübe Feuchtigkeit
Hängt über dir, unter den Sternen, —
Wo willst du hin um solche Zeit?

Schön ist zum Beispiel die Peltzer-Bar.
Aber müde Menschen sind undankbar.
Geh heim und lege dich zur Ruh.
Du findest doch die Worte nicht,
Wenn jemand freundlich zu dir spricht.
Denn du bist du
Und kannst dir selber nicht entfliehn.

Leg dich in deine Hände.
Dann schäumt das schillernde Berlin
Um deine ernsten Wände. — —
Dein Schiff wird in die Ferne ziehn.

Joachim Ringelnatz

Endlich ein paar Tage Zeit für Berlin –  alle paar Jahre muss das sein, und dieses Mal hatte ich Zeit und Gelegenheit, mich ausgiebig in der Metropole zu tummeln. Der Plan war einfach: Viel Kultur tanken. Bummeln. Auf Dichter-Spuren. Einfacher Plan, hat nicht geklappt. Es kam viel besser. Statt toter Dichter bin ich quicklebendigen Bloggern begegnet. Und habe so tolle Gespräche gehabt, schöne Begegnungen und viele neue Anregungen. Und vor allem wieder einmal die schönste Seite des Bloggens kennengelernt – die Begegnung im „echten Leben“.

So war ich, wie mein Ringelnatz, zwar „Müde in Berlin“ – doch nicht aus melancholischer Schwermut heraus, sondern mit der angenehmen Müdigkeit abends ausgestattet, wenn man erfüllte Tage hinter sich hat. Und ich hab jetzt schon Heimweh nach Berlin … gerne wäre ich heute bei Susanne und Jürgens Ausstellung mit dabei oder würde eine der ersten Veranstaltungen bei „Fräulein Schneefeld & Herr Hund“ besuchen. Aber wer weiß – mein Koffer ist zwar nicht mehr in Berlin, aber schnell gepackt.

Die Bloggertour – die sich ganz spontan ergeben hat und für die Gastfreundlichkeit der Berliner spricht – der Reihe nach: Obwohl Susanne Haun in Vorbereitung ihrer gemeinsamen Ausstellung mit Jürgen (und Buchalov) und mit ihren weiteren Projekten schon alle Hände voll zu tun hatte, lud sie mich in ihre Atelierwohnung ein. Wir sind, seit ich blogge, im „virtuellen Kontakt“ und so habe ich mich sehr gefreut, Susanne endlich persönlich zu begegnen und auch ihre Arbeiten, die ich sehr mag, direkt zu sehen. Über die Führung durch den Wedding, ihr „Geburts-Kiez“, die Susanne mir gab, hat sie bereits hier berichtet. Klasse – so kam ich an Ecken, die ich normalerweise nicht aufgesucht hätte und sah den „doppelten“ Schiller.

Zu Bri vom „Feinen, reinen Buchstoff“ habe ich ebenso seit Blogbeginn einen virtuellen Draht entwickelt – wir teilen unsere Begeisterung für amerikanische Literatur und vor allem für F. Scott Fitzgerald, für DADA und Hermann Hesse und so vieles mehr. Wir trafen uns in Kreuzberg – unweit vom „Zickenplatz“ (da bestand bei uns gar keine Gefahr) zu einem ausgiebigen Plausch über Bücher, Literatur, Bloggen und vor allem das Leben. Ein wunderbar entspannter Nachmittag, der unbedingt wiederholt werden muss!

Fernab von der Berliner Hektik verbrachte ich mit Marina von „literaturleuchtet“ einen erholsamen Tag auf der Pfaueninsel – bei bester Berliner Luft! Marina führte mich auf den Spuren des Romans von Thomas Hettche über dieses kleine Paradies, das sich die preußischen Könige zunächst als „ihr Arkadien“ für die Eigennutzung reservierten. Das Eiland ist zwar inzwischen ein begehrtes Ausflugsziel – aber Marina und ich hatten Glück und erwischten, wohl auch wegen der grauen Wolkendecke, einen ruhigen Tag. Ein Abstecher zum Kleist-Denkmal am Wannsee war bei der Rückfahrt obligatorisch – ein seltsamer Ort, an dem immer noch etwas von der Tragik dieses Doppel-Suizids spürbar scheint.

Marina und ich hatten so viel Redestoff über Literatur, dass wir das Gespräch bei einem Besuch in der Prenzlauer Allee 23 am nächsten Tag fortsetzten: Hier haben „Fräulein Schneefeld und Herr Hund“ ihren Laden eröffnet, der, lebte ich in Berlin, mein Ruin wäre. Wunderschön eingerichtet, liebevoll bis ins Detail, ein Fräulein Schneefeld, die einfach eine ganz herzig-charmante Gastgeberin ist und ein Herr Hund, der philosophiert, vor der Kaffeemaschine prokrastriniert („Ich versteh die Technik nicht“: Auch mein Trick, wenn ich mich drücken will…) und für die feine Buchauswahl sorgt. Bücher, Kaffee vom Feinsten und allerbeste Schokolade und Süßwaren (Nachricht an Fräulein Schneefeld: Meine „Mitbringsel“, insbesondere die Veilchenbonbons, habe ich noch in Berlin verputzt): Ich habe mich sofort als Urlaubsvertretung angeboten. Was allerdings nur möglich sein wird, wenn ich nicht auf Herrn Hunds Buchempfehlung hin auf Spuren Jean Pauls durch die Lande reise (siehe Bild).

Vom Prenzlauer Berg zurück nochmals in den Wedding: Bei Susanne lernte ich Buchalov kennen. Wir verbrachten einen ebenso unterhaltsamen wie geistvollen Nachmittag (Jürgen: „mit Themen von ungeheurer Bedeutung“ - wir haben also verbal alles revolutioniert, in Frage gestellt und verschlimmbessert),  mit einem Bummel durch eine Ausstellung, Antiquariatsbesuch, Kunst- und Kunstvermarktungsgespräche sowie mit einigen spontanen Geistesblitzen, die vielleicht zu dem einen oder anderen Projekt führen. Jürgen schreibt hier darüber. Kurz kam noch Utz Benkel in die Runde, für dessen Kalender mit außergewöhnlichen Männer Susanne ein Warhol-Portrait beigesteuert hat: www.utz-benkel.de.
Susanne und Jürgen eröffnen heute ihre Ausstellung „Wegschütten“ – die Vorbereitungen habe ich nun ein wenig mitbekommen und wäre so gerne dabei!

Verfasst von

Das Literaturblog Sätze&Schätze gibt es seit 2013. Gegründet aus dem Impuls heraus, über Literatur und Bücher zu schreiben und mit anderen zu diskutieren.

16 thoughts on “Berliner Bloggertour: Anders müde als Ringelnatz

  1. Liebe Birgit,
    das sind ja ganz besondere Berlin-Erlebnisse. Und die wirklich schönste Bloggerei-Nebenwirkung, wenn sich die Menschen, die sich immer auf den Blogs besuchen auch in der Realität kennenlernen. Und demnächst kommst DU mal nach Wuppertal und wir wandeln auf den Spuren Else Lasker-Schülers, Tuffis, Minna Knallenfalls´und Husch Huschs…
    Viele Grüße, Claudia

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    1. Vorsicht, liebe Claudia - wenn mein Rollkoffer mal rollt:-) Vielleicht ergibt sich ja mal was mit Ingrid, wenn in Solingen das Zentrum für verfolgte Künste eine schöne Ausstellung bietet - dann machen wir eine Bloggertour bei Euch da in der Ecke:-) Oder ihr rafft euch auf und kommt in den Süden - in Augsburg gibt es auch Gästebetten und ein kleines bißchen Kuhltour:-)

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  2. LIebe Birgit,
    ja das muss - bald - wiederholt werden. Und die Ausstellung von Susanne Haun - die könnte ich mir ja glatt ansehen😉 Die Buchhandlung war unser Anlaufpunkt, als wir noch im Wedding (schräg gegenüber von Katja Langen-Müller) wohnten. Der virtuelle Koffer ist in Berlin, keine Sorge.
    Liebe Grüße und danke für die schöne Zeit😉 Bri

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    1. Liebe Bri,
      dann geh doch mal bei Susanne vorbei - das wäre bestimmt für Euch beide unterhaltsam. Witzig, dass wir schon wieder auf Katja Lange-Müller stoßen, das Buch ist großartig, witzig, tiefgründig, klasse. Und wenn es jetzt nicht mit einem Atelierbesuch klappt - dann gehen wir mal zusammen in den Wedding. Das Antiquariat hat mich begeistert: Vollgestopft bis oben hin, und dazwischen so richtige Schmuckstücke. Toll zum Stöbern…

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  3. Das war ja wirklich eine besondere Reise, liebe Birgit. Schön, dass ich mit Dir mal ein paar neue Ecken in der alten Heimat kennengelernt habe - das Café von Herrn Hund und Fräulein Schneefeld klingt ja sehr verlockend - und ein paar literarische Anregungen habe ich beim Rumschnuppern auch noch bekommen! Liebe Grüße, Peggy

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  4. Liebe Birgit!
    Vielen Dank fuer Deinen Bericht und die liebe Erwähnung: ich habe mich sehr gefreut und wiedergefunden. Der Nachmittag mit Dir war ein echtes Highlight auf meiner diesjährigen Tour - mehr als unterhaltsam.
    Wir bleiben in Verbindung, alles Gute, LG Juergen

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