Bummelei: Mannheim. Quadratisch, praktisch, gut.

Mannheim? Super, super, meinte eine Bekannte, schöne Stadt und so praktisch. Alles in Quadrate eingeteilt, genauso wie im „Big Apple“, meinte sie weltläufig, nur kleiner halt mit seinen 300.000 und was Einwohnern, so ein Äpfelchen, da kann man sich gar nicht verlaufen, orientierst dich einfach immer an den Karos. Und alles ist in der Stadt, da musste nicht weit laufen, alles an einem Ort.

Fein, dachte ich mir, wollte ich doch neben der Hannah Höch-Ausstellung den Tag nutzen, um noch ein, zwei andere Dinge in Mannheim anzusehen. Und ich hasse nichts mehr, als mit einem Stadtplan oder einem Smartphone vor der Nase herumzulaufen – beim Bummeln lasse ich mich gern treiben, überraschen, wohin die Füße mich tragen. Und wenn es sich immer im Quadrat dreht, würden die Sehenswürdigkeiten schon am Weg liegen.

Zunächst auch kein Problem: Schnurstracks gerade aus vom Bahnhof führt der Weg an der Kunsthalle vorbei direkt auf die wunderbare Jugendstilanlage am Wasserturm (Bilder oben) zu. Spätestens dort bin ich von Mannheim positiv überrascht – das wirkt, an diesem sommerlich heißen Tag alles so leicht, mediterran, unter den Arkaden lässt sich das Leben genießen. Meine Mannheim-Klischees zuvor: Industriestadt, Arbeiterstadt, im Zweiten Weltkrieg durch die Luftangriffe ziemlich zerstört, geprägt von den 50er- und 60er-Jahre-Bauten. Dringt man über den Wasserturm hinaus in die Fußgängerzone und andere Viertel ein, dann sind die städtebaulichen Sünden unübersehbar. Aber dennoch – der erste Eindruck am Friedrichsplatz mit dem 1889 errichteten Wasserturm ist erst einmal: WOW!

Aber dann: Ende Gelände. Von wegen Orientierung. Ich lief, ich gestehe es frei, wie eine Landpomeranze im Quadrat. Der Plan war, zumindest noch das Mannheimer Schloss, eine der größten Anlagen dieser Art in Europa, angeblich die zweitgrößte Barockschlossanlage nach Versailles, diesen in Stein gemeißelten Gigantismus der Kurfürsten zu beäugen. Aus welchen Gründen auch immer: Mein Orientierungssinn tut sich offenbar mit Quadraten schwer.

Kurz vor Schluss stand ich plötzlich doch vor dem „Schlösschen“ – die freundlichen Museumswächter meinten zwar besorgt, ich hätte jetzt nur noch 45 Minuten Zeit, um die Pracht zu genießen. Aber ehrlich? War für mich ausreichend – denn in den rekonstruierten Räumen (auch diese Anlage wurde im Zweiten Weltkrieg fast vollkommen zerstört) gibt es vor allem Wandteppiche, Silbergeschirr und ähnliches zu sehen. Ich kann dafür meist nur eingeschränktes Interesse aufbringen. Lustiger waren solche Besichtigungen früher in Begleitung meiner Großmutter, die sich dann lebhaft Gedanken darüber machte, wie man das „ganze Zeug“ wohl sauber hielt…

Thronsaal in Schloss Mannheim. Bild: Dirk Altenkirch/Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Mannheim-Besuchern mit mehr Zeit würde ich sowieso bei schönem Wetter eher einen Abstecher in den Luisenpark mit seinem Chinesischen Garten empfehlen. Oder aber einen Bummel um den Wasserturm.

Innenraumgestaltung 1907 von Josef Hoffmann mit den Wiener Werkstätten. Bild: Kunsthalle Mannheim

 

Kunstinteressierte fänden normalerweise (zusätzlich zu den Sonderausstellungen) in der Kunsthalle eine vorzügliche Adresse. Schon das Jugendstilgebäude ist beeindruckend, die Sammlung nicht weniger - hier die Angaben von der Homepage:
„Das Spektrum der Sammlung reicht vom französischen Impressionismus über den deutschen Expressionismus und die Neue Sachlichkeit bis in die Gegenwartskunst. Mit Spitzenwerken von Edouard Manet bis Francis Bacon zählt die Kunsthalle Mannheim zu den renommiertesten Sammlungen deutscher und internationaler Kunst. Die Skulpturensammlung beeindruckt mit Werken von Auguste Rodin und Wilhelm Lehmbruck, Henry Moore und Max Ernst. Hochkarätige Sonderschauen zur Klassischen Moderne und internationalen zeitgenössischen Kunst begeistern Museumsbesucher aus aller Welt.“
Allerdings sind die Werke derzeit ausgelagert – 2017 soll ein Museumsneubau eröffnet werden, bis dahin sind unter dem Titel „Arche“ nur einige der Bilder zu sehen.

Verfasst von

Das Literaturblog Sätze&Schätze gibt es seit 2013. Gegründet aus dem Impuls heraus, über Literatur und Bücher zu schreiben und mit anderen zu diskutieren.

4 thoughts on “Bummelei: Mannheim. Quadratisch, praktisch, gut.

  1. Danke für die schönen Fotos, Birgit, bisher habe ich Mannheim nur als Wohnort für die vielen SAP Angestellten aus Walldorf im Kopf gehabt. Das hat sich nun schlagartig geändert:-)
    Liebe Grüße von Susanne

    Gefällt mir

    1. Ja, das ging mir ebenso - ich hatte so meine Klischees im Kopf. Mannheim = eher häßlich. Na ja, hat schon seine städtebaulich gruseligen Seiten und die Fotos zeigen natürlich auch alte Häuser, in denen sich wahrscheinlich die Mieten weit oben befinden. Aber zum Anschauen für einen Tag: Überraschend schöne Ecken.

      Gefällt mir

Schreibe einen Kommentar

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden / Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden / Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden / Ändern )

Google+ Foto

Du kommentierst mit Deinem Google+-Konto. Abmelden / Ändern )

Verbinde mit %s