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Johann Wolfgang von Goethe - Mayfest

Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!

Es dringen Blüten
Aus iedem Zweig,
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch,

Und Freud und Wonne
Aus ieder Brust.
O Erd o Sonne
O Glück o Lust!

O Lieb’ o Liebe,
So golden schön,
Wie Morgenwolken
Auf ienen Höhn;

Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blütendampfe
Die volle Welt.

O Mädchen Mädchen,
Wie lieb’ ich dich!
Wie blinkt dein Auge!
Wie liebst du mich!

So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmels Duft,

Wie ich dich liebe
Mit warmen Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud und Muth

Zu neuen Liedern,
Und Tänzen giebst!
Sey ewig glücklich
Wie du mich liebst!

Hier jubiliert der junge Goethe: Vermutlich 1771 entstanden, gehört das „Mayfest“ oder auch „Mailied“ zu den Sesenheimer Liedern und war einer seiner Jugendlieben, der Friederike Brion, zugeeignet. Nicht der letzte Mai, nicht die letzte Liebe, die das warme Blut des Dichterfürsten in Wallung brachten. Es sind Zeilen, die könnten auch seiner sinnlichsten, körperlichsten Liebe gewidmet gewesen sein - jener Frau, die ihm wirklich Jugend gab und schenkte, trotz aller äußerlichen Erschwernisse.

Bilder: Weimar, im wunderschönen Monat Mai anno 2016, Park an der Ilm

Allerdings war es nicht im wunderschönen Monat Mai, als alle Knospen sprangen (ein kleiner Abstecher zu Heine), sondern am 12. Juli 1788, als Goethe im Park an der Ilm in Weimar „so für sich hin spazierte“, als ihm eine junge Brünette in den Weg trat: Johanna Christiana Vulpius bittet ihn um Protektion für ihren Bruder Christian August, einen arbeitslosen Sekretär und Schriftsteller. In Goethes Gartenhaus wird die Begegnung offenbar in jedweder Beziehung sofort vertieft – und mündet in eine 28jährige Beziehung. Diese ist jedoch auch von Auf und Ab`s geprägt, von heißer Liebe und kommender Entfremdung - und doch trotzt sie den moralischen Anwürfen jener Zeit.

Hier wurde geschlampampt: Goethes Gartenhaus

Von einer innigen Liebe zumindest in den ersten Jahren und einer anhaltenden Verbundenheit über die Jahrzehnte hinweg zeugen auch die Briefe, die das Paar sich schrieb. Christiane erzählt darin meist von ihren täglichen Angelegenheiten, viel von ihrem Garten, den sie selbst pflegte und in dem sie und der Dichter gerne „schlampampten“. Vor allem in den späteren Jahren muss sie oft auf seine Anwesenheit verzichten – er ist in Geschäften oder in Kurangelegenheiten absent und genießt dort vielleicht auch die vielen „Äugelchen“, die ihm von den diversen Literaturgroupies gemacht werden.

 

Geburtshaus von Christiane Vulpius in der Weimarer Luthergasse und der dazugehörende Garten.

So spricht aus den Briefen Christianes oftmals auch eine unstillbare Sehnsucht:

Weimar, 8. oder 9. Mai 1802 

Ich befinde mich wieder etwas besser, aber ganz recht ist mir doch nicht, und ich kann auch nicht recht sagen, was mir fehlt. Auch schlafen kann ich fast gar nicht. Sobald der Schatz aber wiederkommt, so wird es schon wieder besser werden. Ich will mich diese Woche noch ganz mit meinem Garten beschäftigen, daß, wenn Du wiederkommst, es Dir recht bei mir gefällt. Der August läßt Dich vielmals grüßen und entschuldigt sich, daß er nicht geschrieben hat; er hat gar viel zu thun. Ich freu mich aber sehr, daß es Dir mit Deinen Arbeiten so gut geht, und noch mehr freue ich mich, Dich bald wiederzusehen. Leb wohl und behalte mich nur so lieb, wie ich Dich liebe.

Christiane

Sachlicher und ichbezogener lautet die Antwort auf diesen Brief: Goethe spricht von Fortschritten an seiner „Iphigenie“, die er in Jena schreibt. Zwar lädt er Christiane ein, bald zu ihm zu kommen, doch das geht dann so:

„Ich freue mich sehr, Dich und das Kind wiederzusehen, und bin guten Humors, weil ich verhältnismäßig viel gethan habe.“

Quelle: „Behalte mich ja lieb! – Christiane und Goethes Ehebriefe“, Auswahl und Nachwort von Sigrid Damm, Insel-Bücherei Nr. 1190, 1998

Das Wohnhaus der Goethes Am Frauenplan - der Garten war zu Christianes Zeiten voller Gemüsebeete, wo heute Rasenflächen sind.

 

10 Comments »

    • Liebe Susanne, ja, sie zahlte sicher einen höheren Preis - gesundheitlich, körperlich wie psychisch. Zumal der Standesunterschied, die unterschiedlichen Interessen usw. die Zuneigung wahrscheinlich nicht über die Jahre hinweg durch die Liebe kompensiert werden konnte. Und was ich so lese: Goethe war schon ein arger Egomane und Patriarch.

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      • Liebe Birgit, der Alters- und Standesunterschied wird am Anfang einer Beziehung oft unterschätzt. Jede Generation ist anders sozialisiert. Die Verliebtheit in Liebe und Respekt umzuwandeln ist eine große Leistung und ein hohes Gut, das zum Glück führt. Viele Künstler (besonders die Männer😉 ), egal welcher Gattung, leiden an diesem starken Selbstwertgefühl, der kein Raum für ein Geben und Nehmen lässt. Ich beobachte das sehr oft. Aber diese Männer finden meistens eine Frau im Hintergrund, die viel Arbeit für den Ruhm des Mannes übernimmt, ohne dafür selber ein Stück Ruhm zu erwarten. Diese Frauen fühlen sich in ihrer Selbstaufopferung oft wohl.

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      • Liebe Susanne,
        ja, das war seinerzeit überwiegend so - die Frauen der Genies, die den Männern den Rücken freihielten (dazu ist im von mir zitiertem Inselbuch ein kluges Nachwort von Frau Damm und findet sich hier der Hinweis auf ein Buch, das ich mir vielleicht beschaffe: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/christiane-vulpius/) und ist heute wohl auch noch nicht viel anders. Erstaunlich fand ich im Bauhaus-Museum, dass in der derzeitigen Dauerausstellung die Frauen und ihre Werke kaum gewürdigt werden! Und auch das Bauhaus an sich war - obwohl hier laut Manifest Gleichberechtigung herrschen sollte - sehr patriarchalisch strukturiert. Letzten Endes wurden die Frauen in eine „Weberklasse“ „verbannt“. Es gibt noch viel zu tun…

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  1. Liebe Birgit, ich habe deinen Beitrag genossen und richtig gute Laune bekommen vor allem bei den schönen Fotos, die rechte „May-Laune“ bei mir aufkommen lassen. Der gute Meister wird schon von Christiane verwöhnt worden sein und ihre praktischen Fähigkeiten in jeder Hinsicht zu schätzen gewusst haben:-)

    Ich grüße dich ganz herzlich und gehe mit besonders schönen Erinnerungen und Eindrücken durch Weimar, denn tatsächlich gibt es ja da auch heute noch sehr feine Stätten zum „schlampampen“
    herzlichst Bilke:-):-):-)

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    • Liebe Bilke,
      ich wühle mich gerade durch Dutzende von Fotos, die aber eigentlich nicht wiedergeben können, wie toll der May in Weimar ist:-) Und ja, es lässt sich herrlich schlampampem:-) Ich schreibe nachher eine Ode auf die Thüringer Rostbratwurst, für die Rentner in Bussen kommen und einen Herzinfarkt risikieren:-) Ganz liebe Grüße und Dir heute einen schönen Feiertag! Birgit

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      • Ja, für wirklich gute Bratwürste muss man schon auch etwas auf sich nehmen, um sie zu bekommen und manchmal einen Schritt zulegen, um die Erste am Bratwurststand zu sein!!!! Ich schmunzle hier immer noch vor mich hin und bin ganz gespannt auf den Artikel:-)
        Herzliche Morgengrüße an dich

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    • Liebe Maren, das ist eine gar schrökliche Kombination, Sonne, Wärme und Weimar. Wer will da wieder heimfahren??? Ich nicht. Ja und das Schlampampen:-) Nachdem Goethe bekanntermaßen junges Gemüse mochte, waren damit wohl ALLE leiblichen Genüsse gemeint. Ganz genau weiß man das jedoch nicht. Also, ich genieße die Thüringer Rostbratwurst und schweige.

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