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Verschämtes in Noten

Irgendwie waren die “Verschämten Lektüren” als amüsante Episode der Bloghistorie etwas in Vergessenheit geraten. Und dann plötzlich dieser Paukenschlag: Pagophila und Tikerscherk liessen sich von der Schamleserei inspirieren und verweisen auf “verschämtes” Liedgut, das gemeinhin unter “Schmalzverdacht” steht. Die Kommentare und Bekenntnisse dazu auf ihren Blogs sind einfach köstlich - und zeigen: Mit der einen oder anderen Vorliebe, sei es Michael Holm, Christian Anders oder ein früher Maffay, steht man/frau nicht allein.

Aber woran liegt das, dass wir bei Musik weitaus emotionaler reagieren, dass diese Kunstform viel direkter in Herz&Seele geht denn beispielsweise Literatur oder Bildende Kunst? Dass wir hier zum Teil auch viel unkritischer in unseren Vorlieben sind und offener für Kitsch (der für mich nicht negativ besetzt ist)? Die Hirnforschung macht sich schon seit Jahrzehnten einen Spaß daraus, diesen Fragen auf den Grund zu gehen - welche Funktionen des Gehirns beim Musikhören angeregt werden, das kann inzwischen ganz bildhaft dargestellt werden: Zur Hirnforschung im Tagesspiegel.

Und manche Lieder vergisst man nie - weil sie eben mit bestimmten Situationen, Lebenslagen, einem Gefühl, einem Menschen verbunden sind. Wie sich Musik in das Gedächtnis eingräbt, das ist eindrucksvoll nachzulesen bei Oliver Sacks, “Der einarmige Pianist”: “Musik vergisst man nie.”

Meine verschämten Flötentöne habe ich schon bei Tigerscherk rausgelassen - “Tränen lügen nicht” von Michael Holm. Superschmalz, yeah. Nicht ganz so fest auf irgendwelche Drüsen gedrückt, aber musikalisch eben auch fragwürdig, dennoch unvergesslich, weil mit dem ersten Kuss vom ersten “festen Freund” verbunden:

https://www.youtube.com/watch?v=iGaF4tKUl0o

Die Hirnforscher sagen: Musik macht schlau, widerstandsfähiger, ist heilsam und wirkt anregend wie eine Droge, jedoch ohne Suchtgefahr. Na, wenn das kein guter Grund ist, sich zu “verschämten” Tönen zu bekennen - und gleich die Musikanlage laut aufzudrehen.

34 Comments »

  1. Herzlichen Dank, liebe Birgit, auf Dich ist einfach Verlass, wenn es um den Background geht… damit meine ich nicht (nur) diese reizende Wandmalerei sondern auch das hochinteressante Hintergrundwissen! Und nachdem ich meine Heiratspläne in Bezug auf Chris Roberts aufgegeben hatte, wünschte ich mir übrigens nichts sehnlicher als eine Affäre mit Chris Norman..;-)

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  2. Stimmt: Musik vergisst man nie! Gestern war auf WDR2 90er Tag und irgendwann sagte mein Mann, nachdem wir wieder mal ein Lied aus dem stehgreif mitgesungen haben: “erstaunlich was für einen Müll das Gehirn jahrzehntelang speichert!”

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      • Da hast Du recht! Es ist sooo schwierig ein Gedicht auswendig zu lernen :-) und Liedtexte kann man noch 30 Jahre später…..das muss die Kombi mit der Musik sein. Was lernen wir daraus? Gedichte lernen mit Musikuntermalung geht besser :-)

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  3. Ein wunderbarer Beitrag….hab mich selbst mit dem Gehirn viele Jahre beschäftigt und es ist unser Wunderwerk ! Musik und Mathematik sind in den gleichen Gehirnbereichen aktiv….darum sind die meisten Mathematiker auch Musiker…das am Rande und nun begebe ich mich gedanklich in Richtung…first love…first kiss….herrlich..!! Danke dafür und einen lieben Gruß - Karin

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    • Liebe Karin,
      ja, das Gehirn ein Wunderwerk und eine noch überwiegend unerforschte Geheimlandschaft … dass man bei der Musik schon so weit ist, ist eigentlich erstaunlich. Und der Zusammenhang zwischen Musik und Mathematik ist ja auch gut erforscht - ein Beispiel die Bach-Kantaten auch usw. - aber wem sag ich das, der Frau aus der DreiViertel-Takt Stadt :-) Und dennoch finde ich es wiederum rätselhaft: Mathe ist für mich so etwas unemotionales, in mein Gehirn gehen diese logischen Vorgänge gar nicht rein. Aber entsprechende Musik trifft bei mir mitten in Kopf&Herz. Komisch, oder? Also: der erste Kuss ging nicht an einen Mathematiker, soviel kann ich verraten :-)

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      • Hast du auch selbst ein Instrument gespielt?? …ich mein, bist du eine kleine versteckte Musikerin?? So ist der Zusammenhang gemeint! Aber wie auch immer…was Musik in unserem Kopf alles anstellt ist sagenhaft….und ich selbst schreibe ja auch nur mit meinen Freunden…Mozart, Bach, Mahler usw… 😉 !
        Und der erste Kuss?? ..vielleicht ist meiner sogar Mathematiker geworden…hahaha…?? keine Ahnung…..aber wieso kannst du es bei deinem wissen? :-) !!

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      • Ich wurde zum Klavier verdammt, weil eben eines da war. Eigentlich wollte ich Geige. Wer weiß, was der Nachbarschaft jedoch durch das pragmatische Denken meiner Eltern erspart blieb :-)
        Und zum ersten Kuss: Ich meinte schon den ersten RICHTIGEN - also keine Kinderküsse :-) Und von dem weiß ich gut, dass sein Spender kein Mathematiker war - die kamen nie näher an mich ran :-)

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      • Die Nachbarschaft war für ewig in unglaublicher Harmonie mit deinem Elternhaus 😉 …das wussten deine Eltern bestimmt..hahaha 😉 ! Und siehst du, ich wollte Klavier lernen und bekam ein Akkordeon umgeschnallt :-) wir teilen das gleiche musikalische Schicksal :-) !
        Bei den mathematischen Gehirnen irgendwie aber nicht :-) !

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  4. Oh du liebe Zeit, ich komme aus dem Kichern gar nicht mehr heraus, war ein klasse Hinweis auf die beiden Blogs🤗 Ich sage nur Smokie, und mein Mann bittet mich inständig darum, NICHT zu schreiben, von wem ich die erste LP hatte. Einen hübsch beschwingten Abend, Anna

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  5. Joachim E. Berendt schreibt in seinem Buch Nada Brahma, die Welt ist Klang, dass eine Geschichte, die einem Kind erzaehlt wird, also auch durch den Klang, in Bilder umgewandelt und dann zu einem bereichernden Erlebnis wird. Er meint, dass das Hören wichtiger als das Sehen ist. Cari saluti Martina

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  6. Ich hatte auch letztens eine Frage an die Hirnforschung, nämlich: warum kann ich immer noch und nach Jahren des Nicht-Wiederholens (fast) alle Strophen von “der Tag, als Conny Kramer starb” auswendig und vergeude damit Hirnkapazität, die ich für anderes viel besser gebrauchen könnte?

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  7. Danke für den Beitrag und die vielfältigen Kommentare. Erinnerung an meine Mutter, die bei jahrelanger Demenz immer noch ältere Lieder singen konnte, gelegentlich mehr Strophen als auf dem Liedblatt wiedergegeben. Eine schöne Erfahrung, vielleicht zukunftsweisend …

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