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Ethnologie mit Spaßfaktor: Nigel Barley über traumatische Tropen und Bali

“Leichtigkeit ist eine Zier. Das beweist der britische Völkerkundler Nigel Barley, der lange in der ethnologischen Abteilung des British Museum arbeitete und heute in Indonesien lebt, mit zwei Büchern über seine Wahlheimat.”

Harald Eggebrecht stellte die beiden Indonesien-Bücher, die nun passend zum Gastland der Frankfurter Buchmesse in deutscher Übersetzung bei Klett Cotta erschienen sind, in der Süddeutschen Zeitung am 13. Oktober vor. Während “Auf den Spuren von Mr. Spock” ein ausgesprochen vergnüglicher Reisebericht sei, so übt Eggebrecht am Roman “Bali. Das letzte Paradies” deutliche Kritik: “Der Bali-Roman wirkt um jenen empfindlichen Hauch zu kitschig, der das Lesevergnügen unweigerlich trübt.”

Noch habe ich in beide Bücher erst einen kurzen Blick geworfen, doch scheint Eggebrecht auf der richtigen Spur zu sein: Als Reiseschriftsteller und Sachbuchautor, der so herrlich kritisch mit seinem eigenen Fach umgeht, erscheint auch mir Barley stärker denn als Romancier.

Wie witzig man über Ethnologie schreiben kann, verdeutlichte er bereits mit seinem Bestseller “Traumatische Tropen”, erschienen 1985, und ebenfalls bei Klett Cotta zu haben: Traumatische Tropen. Notizen aus meiner Lehmhütte.

„In den Zeiten, als man noch fraglos von der Überlegenheit der westlichen Kultur überzeugt war, war es für jedermann unmittelbar klar, dass Afrikaner die meisten Dinge falsch sahen und überhaupt nicht sonderlich helle waren. (…) Der Primitive wird heute von Leuten im Westen ganz genauso wie vormals von Rousseau oder Montaigne benutzt, um die eigene Gesellschaft zu kritisieren und bestimme Aspekte in ihr anzuprangern, die das Missfallen der Kritiker erregen.“

Der britische Ethnologe Nigel Barley räumt in diesem äußert amüsant zu lesenden Taschenbuch gründlich auf: Er zieht gegen die Ethnologen und deren Vorstellungen und Annäherungen an „das Fremde“ ebenso ins Feld wie gegen die üblichen Vorstellungen von Feldforschungen und anderen Klischees.

Barley beherrscht das ironische Wort, vor allem aber auch die Selbstironie:
„Ethnologen hingegen haben hinduistischen Heiligen zu Füßen gesessen, haben fremdartige Götter geschaut und schweinischen Ritualen beigewohnt, sind an Orten gewesen, wo noch nie jemand vor ihnen war. Sie sind vom Ruch der Heiligkeit und himmlischen Nutzlosigkeit umwittert. Sie sind Heilige des britischen Kults um einer ihrer selbst willen gepflegten Exzentrizität. Die Chance, mich ihnen beizugesellen, war nichts, was ich leichten Herzens ausschlagen konnte.“

Und:
„Nicht an Daten fehlt es der Ethnologie, sondern an der Fähigkeit, etwas Sinnvolles mit den Daten anzufangen.“

Selbstverständlich, dass der junge Brite dies nach seinem ersten eigenen Feldforschungs-Aufenthalt gründlich ändern wird. Selbstverständlich, dass er die Zunft, geprägt von Bronislaw Malinowski und Claude Lévi-Strauss, mit seinen Erkenntnissen revolutionieren wird. Meint er, bevor er zunächst in die Mühlen gerät - die des Klinkenputzens, um Forschungsgelder zu gewinnen, und dann der Bürokratie, um Anfang der 80er Jahre eine Aufenthaltsgenehmigung für den Kamerun zu erhalten.

Letztendlich ist es aber die Begegnung mit dem Volk der Dowayo, das Barley zu erforschen gedenkt, die den Wissenschaftler selbst verändern. In Zentralafrika kommt er auf den Boden der Praxis. Krankheiten, Versorgungsnotstände, Unbequemlichkeiten, Unfälle – das sind die Alltagsbegleiter des wackeren Forschers. Und die Rollen tauschen sich – nicht er untersucht das Fremde, er wird zum Fremden. Amüsant zu lesen ist es, wie die Dowayos mit leicht amüsiertem Kopfschütteln die Fragerei des Weißen zur Kenntnis nehmen. Fragt sie Barley etwa hinsichtlich einer mythischen Handlung, warum sie das tun, antworten sie: “Weil es gut ist.” Ein weiteres “Warum?” wird ebenso überzeugt beantwortet: “Weil unsere Väter es uns gesagt haben.” Es braucht nur noch eine weitere Nachfrage, um den Kreis zu schließen: “Warum taten es eure Väter?” “Weil es gut ist.”

„Traumatische Tropen“ ist zugleich informativ, humorvoll und äußerst leicht lesbar – ein Brückenschlag, wie er in einem Sachbuch selten gelingt. Barley schreibt ganz im Sinne von Nietzsches „fröhlicher Wissenschaft“.

1996 veröffentlichte die Zeit ein Portrait des „Ethnologen in der Großstadt“.

count)s Kommentare »

  1. Das ist doch ganz nach Opas Enkel Geschmack. Und wenn mein Enkel fragen sollte, warum, könnte ich dann antworten: “Weil es gut ist”. Aber jetzt ist es erstmal notiert. Alles Weitere wird sich zeigen.

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  2. Leichtigkeit ist oftmals das, was nur allzu schwer hinzukriegen ist, man kann sie nicht erzwingen - weder im Leben noch im Reiseroman. Und dann um so schöner, wenn sie gelingt :-)
    Herzliche Herbsabendgrüße aus dem verschneiten Jena von
    Birgit

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