Dashiell Hammett: Der dünne Mann

Mit Nora und Nick Charles schuf Dashiell Hammett (1894-1961) das wohl charmanteste Detektivpärchen der Literatur. „Der dünne Mann“ war sein letzter Roman.

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Bild: Birgit Böllinger

„Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Detektiv jemals zurechtkommen soll, ohne mit dir verheiratet zu sein, aber übertreiben tust du`s deswegen doch. Studsy, der Morelli anstößt, das ist genau meine Vorstellung von etwas, worüber man sich lange Zeit keine Gedanken zu machen braucht. Eher würde ich mir schon Gedanken darüber machen, ob sie Sparrow fertiggemacht haben, um zu verhindern, dass ich was abkriege, oder um zu verhindern, dass ich was erzählt kriege. Ich bin müde.“
„Ich auch. Sag mir eines, Nick. Sag mir die Wahrheit: als du mit Mimi gerungen hast, hast du da nicht eine Erektion bekommen?“
„Oh, so `n bisschen.“
Sie lachte und stand vom Fußboden auf. „Also wenn du kein widerwärtiger alter Wüstling bist“, sagte sie. „Sieh mal, es ist schon hell.“

Dashiell Hammett, „Der dünne Mann“, 1934.

Die Schlafzimmergespräche von Nora und Nick Charles sind eben etwas anders wie bei anderen Leuten. Mit seinem letzten Roman schuf Dashiell Hammett (1894-1961) das wohl charmanteste und glamouröseste Detektivpärchen der Literatur. Und hinterließ ein literarisches Zeugnis, das scheinbar ganz leicht und leichtlebig von der Krankheit erzählt, die sein Leben jahrelang prägte: Im „dünnen Mann“ wird gesoffen, was das Zeug hält.

Als der Roman 1934 erschien, hatte Hammett wegen seiner Alkoholsucht und einem Leben, das wie eine nimmerendende Party erschien, bereits mehrere Jahre nichts mehr veröffentlicht. Zuvor kam der Rausch – der Rausch des Erfolgs. Der Schulabbrecher, der sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt, als Pinkerton-Detektiv Erfahrungen sammelte und als Pulp-Autor mäßige Resonanz bekam, war auf einer unglaublichen Welle geritten – beinahe im Halbjahrestakt erschienen ab 1929 die Romane „Die rote Ernte“, „Der Fluch des Hauses Dain“, „Der Malteser Falke“ und „Der gläserne Schlüssel“. Dashiell Hammett gilt noch vor Raymond Chandler als Schöpfer der „hard boiled novel“, die realistisch die schwarze Seite Amerikas darstellt: Verbrechen und Korruption in der schönen Neuen Welt.

Diese neue Art der harten Krimis kam an. Hammett wurde zum Liebling Hollywoods, “the hottest thing in town”, wie es die Dramatikerin Lillian Hellman in ihren Erinnerungen formulierte. Hellmann lernte Hammett kennen, als er auf dem Gipfel des Erfolgs stand: Frauenheld, Partylöwe, Dauerzecher. Literarisch jedoch schien er am Ende, wie Hellman 1965 in Erinnerungen an ihn schreibt:

“When I first met Hammett he was throwing himself away on Hollywood parties and New York bars: the throwing away was probably no less damaging but a little more forgiveable because those who were there to catch could have stepped from The Day of the Locust. But he knew what was happening to him and, after 1948, it was not to happen again. It would be good to say that as his life changed the productivity increased, but it didn’t. Perhaps the vigor and the force had been dissipated. But, good as it is, productivity is not the only proof of a serious life and now, more than ever, he sat down to read.”

“Because on the night we had first met he was getting over a five-day drunk and he was to drink very heavily for the next eighteen years. And then one day, warned by a doctor, he said he would never have another drink and he kept his word except for the last year of the one martini, and that was my idea.”

1948 also wird Hammett „trocken“, doch bis dahin ist es noch ein langer Weg und die schriftstellerische Produktivität längst schon versiegt. Denn sein letzter Roman, „Der dünne Mann“, erscheint 1934, danach nur noch Erzählungen. Gewidmet ist der „dünne Mann“ Lillian Hellman – und durchaus kann man sich vorstellen, dass die Dialoge zwischen Nick und Nora, so locker wie aus einer Noël Coward-Komödie, aus dem „echten“ Leben gegriffen sind. Nick und Nora, Dashiell und Lillian – ein Paar wie Scott und Zelda, Dashiell der große Gatsby des Thrillers, leichtlebig, charmant, hedonistisch. Hellmann schildert den Entstehungsprozess des Krimis:

“I had known Dash when he was writing short stories, but I had never been around for a long piece of work. Life changed: the drinking stopped, the parties were over. The locking-in time had come and nothing was allowed to disturb it until the book was finished. I had never seen anybody work that way: the care for every word, the pride in the neatness of the typed page itself, the refusal for ten days or two weeks to go out even for a walk for fear something would be lost. It was a good year for me and I learned from it and was; perhaps, a little frightened by a man who now did not need me. It was thus a happy day when I was given half the manuscript to read and was told that I was Nora, It was nice to be Nora, married to Nice Charles: maybe one of the few marriages in modern literature where the man and woman like each other and have a fine time together. But I was soon put back in place—Hammett said I was also the silly girl in the book and the villainess.”

Zunächst stößt “Der dünne Mann” jedoch auf wenig Gegenliebe: Etliche Magazine lehnen eine Veröffentlichung ab, zu ungewöhnlich und außer der Reihe ist das Buch, es wird, gemessen an seinen Vorgängern, als “zu leicht” empfunden. Tatsächlich ist es das am wenigsten „schwarze“, das komödiantischste und leichteste seiner Bücher, wenn es auch immer noch genügend „Hard-boiled“ -Elemente und eine spannende Story in sich birgt. Als es dann herauskommt, straft der Erfolg alle Kritiker lügen – schon kurz nach Erscheinen des Buches kommt die Verfilmung mit William Powell und Myrna Loy ins Kino, weitere Dünne-Mann-Geschichten, die Hammett als Auftragsarbeiten für Hollywood schreibt, und Filme mit der Erfolgsbesetzung folgen.

Nick Charles ist durchaus ein Abbild Dashiell Hammetts zu der Zeit, als dieser Lillian Hammett kennenlernt: Der frühere Detektiv, der inzwischen den Ehestand, das ironische Geplänkel mit seiner Liebsten, aber auch die täglichen Drinks genießen will.

Nora konnte in dieser Nacht nicht schlafen. Sie las Schaljapins Erinnerungen, bis ich zu dösen begann, worauf sie mich mit der Frage weckte: „Schläfst du?“
Ich bejahte es.
Sie steckte eine Zigarette für mich an und eine für sich selber. „Spielst du nie mit dem Gedanken, dich ab und zu bloß so aus reinem Vergnügen wieder einmal als Detektiv zu betätigen? Ich meine, wenn irgendwas Besonderes anliegt, wie die Lindb—„
„Liebling“, sagte ich, „mein Tip lautet, dass Wynant sie umgebracht hat und die Polizei ihn auch ohne meine Mithilfe schnappen wird. Für mich jedenfalls ist das völlig bedeutungslos.“
„Das habe ich nicht eigentlich gemeint, aber —„
„Aber außerdem habe ich auch nicht die Zeit dazu. Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, darauf aufzupassen, dass du keinen Cent von dem Geld verlierst, um dessentwillen ich dich geheiratet habe.“ Ich küsste sie. „Meinst du nicht, ein Drink würde dir vielleicht zum Schlaf verhelfen?“
„Nein, danke.“
„Vielleicht, wenn ich einen nehme.“

Alles Abwehren jedoch fruchtet nicht: Nick Charles wird wider Willen in einen komplizierten Mordfall hineingezogen und auch bei der einen Leiche bleibt es nicht. Schon der erste Absatz des Buches zieht mitten hinein in den Fall – und in die „coole“ Welt des Detektivs:

„Ich lehnte am Tresen eines Speakeasy in der Fifty-second Street und wartete darauf, dass Nora ihre Weihnachtseinkäufe beendete, als ein junges Mädchen, das mit drei anderen Leuten an einem Tisch gesessen hatte, aufstand und zu mir herüberkam. Es war zierlich und blond, und ob man sein Gesicht betrachtete oder seine Gestalt in dem rauchblauen Sportkostüm, das Ergebnis war gleichermaßen zufriedenstellend.“

Das Mädchen, Dorothy, ist die Tochter eines früheren Klienten von Nick Charles, dem Erfinder Clyde Wynant. Und sie ist, wie der Herr Papa und der Rest der Familie, mit „exzentrisch“ noch wohlwollend beschrieben. Die Herrschaften, samt der dubiosen Sekretärin und Geliebten des Erfinders, die als erste ihr Leben lassen muss, sind allesamt sinister und hinter dem Geld des „dünnen Mannes“ her (erst mit den Nachfolgefilmen wird der Detektiv selbst zum „dünnen Mann“). Charles will sich heraushalten und gemütlich seine Weihnachtscocktails süffeln – bis jedoch nächtens ein Krimineller in seinem Schlafzimmer steht, mit der Pistole wedelt, die Polizei für Randale sorgt und nicht zuletzt Ehegattin Nora ihre Neugierde nicht bezähmen kann. Mit viel Witz und ebenso viel Spannung wird die Geschichte temporeich vorangetrieben. Und endet mit einer Überraschung: Alle sind verdächtig, aber der Mörder ist…

10 comments on “Dashiell Hammett: Der dünne Mann”

    1. Ich hab alle fünf irgendwann einmal gelesen - und könnte mich jetzt nicht eindeutig entscheiden. Sein erster, „Die rote Ernte“ ist halt deutlich härter, politischer als der dünne Mann, beide aber zählen zu meinen Favoriten.

  1. Danke für den Tipp. Den Film habe ich als junger Mensch schon eimal gesehen. Hat wohl keinen so großen Eindruck hinterlessen. Aber das Buch werde ich auf meine Liste setzen.

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