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Enrique Vila-Matas: Dublinesk (2013).

September Innensatdt 056

„Er wendet sich wieder den Zeitungsnachrichten zu und liest, dass Claudio Magris meint, die Reise im Kreis wie bei Odysseus, der wieder heimkehrt - die traditionelle, klassische, ödipale und konservative joycesche Reise -, werde um die Mitte des 20. Jahrhunderts ersetzt durch die lineare Reise nach vorn: eine Art Pilgerfahrt, eine Reise, die immer weiter führt, auf einen unmöglichen Punkt der Unendlichkeit zu, wie eine gerade Linie, die zögernd ins Nichts vorstößt.
Er könnte sich jetzt als Reisender geradeaus begreifen, doch er will keine Probleme und beschließt, dass seine Lebensreise traditionell, klassisch, ödipal und konservativ verlaufen soll.“

„Riba neigt nicht nur dazu, das Leben zu lesen wie einen literarischen Text, sondern bisweilen sieht er die Welt auch als ein wüstes Gestrüpp oder Knäuel.“

„Seit jeher hegte er eine große Bewunderung für Schriftsteller, die jeden Tag aufs Neue eine Reise ins Unbekannte wagen und dabei doch den ganzen Tag nur in ihrem Zimmer hocken. Hinter verschlossenen Zimmertüren bewegen sie sich nicht weg vom Fleck, und dennoch finden sie gerade in dieser Begrenzung die absolute Freiheit, der zu sein, der sie sein wollen, sich dorthin zu begeben, wohin auch immer ihre Gedanken sie führen.“

Enrique Vila-Matas, “Dublinesk”, 2013, Die andere Bibliothek

Also noch einer, der von Joyce, Bloom und Dublin nicht lassen kann. Enrique Vila-Matas erzählt von einem alternden Verleger, aus dem Literaturgeschäft ausgestiegen, dem Alkohol entsagt, in der Ehe fremdelnd, den wenigen Freunden entfremdet, in den Weiten des Internet verloren. Eine Reise nach Dublin soll eine Wende bringen - zum Guten oder zum Schlechten. Auf den Spuren von Joyce und Bloom soll die Literatur zu Grabe getragen werden. Die Reise wird dublinesk, grotesk, burlesk.
Eingeschränkte Leseempfehlung meinerseits: Ein Buch über die Literatur voller Anspielungen und Bezüge auf alles, was Rang und Namen hat - Magris, Pessoa, Freud, Robert Walser, Hugo Claus, Gadda, Melville. Es bleibt unter anderem der Eindruck zurück, dass Vila-Matas hier nicht nur seiner eigenen Literaturbessenheit freien Lauf lässt, sondern sie auch ein wenig zur Schau stellt. Dazwischen aber wunderbare Textpassagen, Reflektionen, Selbstfindungsabsätze - über die drei wichtigen “L”: Das Leben, die Liebe, die Literatur.
Kein leichtes Lesevergnügen, auch wegen zeitweiliger Redundanz und Langatmigkeit. Aber eine Fundgrube für Joyce- und Beckett-Fans.

In der Bloggerwelt stieß jedoch die deutsche Übersetzung und das Lektorat auf harsche Kritik. Zum Weiterlesen seien folgende Links empfohlen:

http://www.enriquevilamatas.com/escritores/escrschlickerss1.html

http://andreas-oppermann.eu/2013/07/13/hat-der-lektor-von-enrique-vila-matas-dublinesk-zu-viel-getrunken/

http://www.theomag.de/83/am395.htm

http://kopkastagebuch.wordpress.com/2013/07/10/glucklich-wie-ein-trottel/

count)s Kommentare »

  1. Bin gerade oft eine hastige, unzuverlässige Leserin und staune selbst darüber, wie oft dann trotzdem einer deiner Sätze bei mir hängen bleibt, sich verhakt, produktiv wird. Besten Dank und herzliche Grüße!

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  2. Liebe Birgit,
    ich finde auch, das Buch hätte gut 100 Seiten kürzer sein dürfen und das Lektorat deutlich weniger schlampig - auch, wenn ich mich nicht sooo sehr ärgere über ‘Anschlussfehler’ wie den, dass mal das linke Knie und mal das rechte Knie des Protagonisten schmerzt.
    Ansonsten habe ich aber das Buch als literarische Groteske/Burleske sehr gern gelesen. Allerdings, ich gebe es zu, muss man wohl schon eine ziemliche Affinität zu Joyce und Dublin haben und ein bisschen Joyce-Kenntnis schadet auch nicht. Ist vielleicht ein Nischenbuch oder sowas. Jedenfalls, der Satz

    „Riba neigt nicht nur dazu, das Leben zu lesen wie einen literarischen Text, sondern bisweilen sieht er die Welt auch als ein wüstes Gestrüpp oder Knäuel.“

    trifft bisweilen durchaus in beiden Teilen auch auf mich zu.

    Danke für die Besprechung und liebe Grüsse
    Kai

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    • Lieber Kai,
      naja, und auch Dublinesk selbst (der Titel führt ja hin auf grotesk und burlesk) ist halt einfach auch ein wüstes Knäuel. Es gibt freilich bessere Knäuel in der Anderen Bibliothek, aber bereut habe ich die Dublin-Reise mit dem spanischen Verleger nicht - immerhin war im Buch auch fettes Namedropping, das mir einige Autoren wieder in Erinnerung bzw. erstmals zur Kenntnis gebracht hat - da kann man dann auch herrlich weiterknäueln.

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